Keine nächtlichen Glockenschläge mehr.

Wichtig ist zunächst, dass wir mehrere Dinge zusammenführen. Zum einen haben wir die Online-Ausgabe des ovb vom 15.02.2025, in dem es heißt, dass es zwischen 22.00 und 0600 kein Glockenzeichen zu den Viertelstunden mehr geben soll. Zum Zweiten haben wir die ovb-online-Ausgabe vom 19.02.2025, in dem von einem „Bimmel-Bann“ gesprochen wird. Des Weiteren haben wir die Print-Ausgabe des ovb vom 20.02.2025, wobei der ovb bei den Überschriften variiert, während der Inhalt der gleiche ist. Denn in diesem Bericht ist nun – abweichend vom Bericht vom 15.02. – von einer „stummen Glocke“ die Rede. Außerdem gibt es ein youtube-Video, welches das Glockengeläut hörbar macht. Und zu guter Letzt gab es die gestrige Stadtratssitzung.
Youtube-Video
Mit dem youtube-Video habe ich mich zuerst befasst. Man hört minutenlang Glockengeläut aber keine Zeitzeichen. Es ist somit irreführend. Denn die ganze Diskussion dreht sich überhaupt nicht um das Glockengeläut aus sakralen Anlässen. Es geht den Beschwerdeführern – so weit ich das verstanden habe -, ausschließlich um den nächtlichen Glockenschlag als Zeitzeichen.
ovb-Bericht vom 15. Februar 2025
Der Bericht beginnt mit dem Satz: „Glockenstreit in Neumarkt-St. Veit.“ Jetzt ist man natürlich gespannt, wer hier eigentlich mit wem streitet. Man ahnt es. Wir erfahren es nicht. Wir erfahren es deshalb nicht, weil es gar keinen Streit gibt – jedenfalls nicht zwischen Bürgern und Kirche. Ein Hinweis auf Streit gibt es nur auf Grund einer Aussage unseres Pfarrers, der ausführt, dass die Empfehlung der Diözese nicht unumstritten gewesen sei. Falls es also Streit gab, dann eher kirchenintern.
Der nächste fragwürdige Satz ist, dass einige Anwohner protestiert hätten. Protest kann viele Facetten haben. Man kann anonyme oder nicht anonyme Schreiben loslassen. Man kann vor der Kirche eine Demo veranstalten oder wutentbrannt das Gespräch mit Pfarrer Eisenmann suchen. Ebenfalls könnte man einen Anwalt einschalten, der in Richtung Kirchenverwaltung marschiert. Man kann Plakate kleben oder Zettel in Briefkästen versenken. Man kann einen Verein „Anti-Glocken e.V.“ gründen oder eine Unterschriftenaktion starten. Wie der Protest ausgestaltet war, erfahren wir – man ahnt es – nicht. Ich hätte mir gewünscht, dass der ovb einen „Protestler“ ausfindig macht und ihn nach dem Grundsatz ‚Miteinander reden, statt übereinander“ – von mir aus auch anonym – zu Wort kommen lässt.
Der ovb weiß dann selbst nicht mehr genau, wie er die Sache bezeichnen soll. Denn aus Protest wird im Text wenig später eine Beschwerde. Noch später ist es dann nur noch ein „Anliegen“ der Bewohner. Was es im Bericht natürlich unbedingt brauchte, waren die Einlassungen des Hörberinger Kirchenpflegers, auf die ich wiederum hätte verzichten können. Eine weitere Ungenauigkeit ist die Aussage, dass die Kirchenverwaltung schon vor drei Jahren mit einer Eingabe konfrontiert worden sein. Nun, das weiß ich besser. Das erste – erfolglose – Gespräch gab es schon vor sieben Jahren.
ovb-Bericht vom 19. Februar 2025
Auch in diesem Bericht schießt der ovb direkt am Anfang über das Ziel hinaus. Die Schlagzeile lautet „So sehen sie das Verbot des nächtlichen Schlags der Kirchenuhr“, gefolgt von vier Meinungen bekannter Neumarkter. Ich glaube nicht, dass irgendwer irgendwem etwas ‚verboten‘ hat.
Für die Betrachtung des „Bimmel-Banns“ bin ich natürlich bestens geeignet. Zunächst erkläre ich, dass ich völlig unbeteiligt bin, um Spekulationen vorzubeugen. Ich wohne so weit weg vom Stadtplatz bzw. von St. Veit, dass ich völlig emotionslos über die Thematik sinnieren kann. Das unterscheidet mich von einem Stadtrat, der zu Protokoll gibt, dass ihn das „wütend“ macht. Wut ist sicherlich ein schlechter Ratgeber. Jesus hätte den Stadtrat vermutlich mittels eines Gleichnisses zurechtgewiesen. Das riecht förmlich nach der Heiligen Beichte.
Ungünstig ist, die Kirche zu kritisieren, die „da gleich einlenkt“ und „klein beigibt“. Die deutsche katholische Kirche ist deutschlandweit aufgestellt. Sie hat bezüglich des Betriebes von Kirchenglocken weit mehr Erfahrung als jeder Neumarkter Stadtrat. Hier meinungstechnisch mitzumischen, ohne überhaupt zuständig zu sein, halte ich für nicht notwendig.
Der Vergleich mit Zügen passt nicht.
Vergleiche mit den Zügen hinken aus meiner Sicht ebenfalls. Jeder Zug transportiert Menschen bzw. Güter und erfüllt somit einen gesellschaftlichen Zweck. Eine einfach gestrickte Argumentation, dass die Glocken schon seit 300 Jahren läuten und dies aus Tradition doch bitte so bleiben könne, ist dagegen etwas anderes. Vor dreihundert Jahren hatte kaum jemand eine private Uhr. Der Glockenschlag war eminent wichtig für eine funktionierende Gesellschaft. Die Funktion der Kirchenglocken als Zeitzeichengeber hat sich überlebt.
Auch die Verwunderung darüber, dass einzelne Personen, noch dazu, wenn sie hierhergezogen seien, sich nicht an die örtlichen Gepflogenheiten halten können, kann ich kontern. Gerichte wischen dieses Zuzugsargument auch bei Fußballplätzen regelmäßig vom Tisch. Die Logik, du bist aus freien Stücken neben einen Kirchenturm oder einen Fußballplatz gezogen, wusstest von Anfang an von den Emissionen und musst jetzt bitteschön damit leben, hat vor Gericht keine Wirkung. Es gibt aber auch andere Konstellationen. Was sagen wir jemanden, der ein Haus auf dem Stadtplatz erbt und mit der Kirche nichts zu tun hat? So jemand versteht die Tradition nicht und pfeift darauf. Ein „dann muss man halt wegziehen“ ist bei Wohneigentum so einfach nicht.
Gestrige Stadtratssitzung
Das Thema war auf der Tagesordnung, wohlwissend, dass der Stadtrat hier nicht zu entscheiden hat. Man durfte somit gespannt sein, um was sich die Diskussion eigentlich dreht. Pfarrer Eisenmann durfte neben der Oberverwaltung Platz nehmen und die Problematik erklären. Er war viel ruhiger als die Stadträte, die sich anschließend zu Wort meldeten. Die fast einhellige Meinung war, die Kirche solle ihre Entscheidung überdenken und ggf. sogar zurücknehmen. Eine Stadträtin hörte sich fast so an, als sei sie beleidigt.
Die Stadträte tun sich da leicht, weil sie ja auch die gerichtlichen Streitereien für die Kirche nicht ausfechten müssen. Da gefiel mir die Einlassung von Ludwig Spirkl schon weit besser, der den Stadtrat und sich selbst für nicht zuständig hielt. Und so sehe ich das eigentlich auch. Natürlich wurde die – ja, wie nennen wir sie eigentlich – Absichtserklärung gegen die Stimmen der zwei SPD-Stadträte
Ich bin überzeugt davon, dass der nächtliche Glockenschlag den Schlaf beeinflusst. Vordergründig kann man der Meinung sein, dass einen der Glockenschlag nicht stört. Zielführender ist es aber, sich die Aussagen eines Lärmforschers durchzulesen. Mark Brink erklärt die Zusammenhänge hier sehr gut.
Kirchenglocken stören unseren Schlaf stärker als Fluglärm.
Ich jedenfalls bin froh, dass mich in meinem Schlaf fast kein Geräusch stört. Leider führt der unbeschrankte Bahnübergang an der Wintermeierstraße zu einem zwangsweisen und mehrmaligen Hupen der dort langfahrenden Züge. Das ist ein wirklicher Aufreger. Denn hier kann mir niemand erzählen, dass der erste Zug früh um 0604 die Menschen nicht aus dem Schlaf reißt. Und beim Bahnhof hat die Bahn auch aus eigenen Stücken eine Schranke angebracht, um über die Gleise 1 und 2 barrierefrei zum Gleis 3 zu gelangen bzw. vom Gleis 3 aus den Bahnhof zu verlassen. Die Unterführung könnte man folglich zuschütten. Ihn benutzt niemand mehr. Die Bahn hat diese Investition geschultert und könnte gleiches auch an der Wintermeierstraße tun. Mich wundert, dass sich Widerstand gegen die Glocken richtet, nicht aber gegen das unfassbare laute Makrofon der Züge.
Fazit: Ich bin bei Sozi-Stadtrat Geltinger, der das Abschalten in der Nacht für einen guten Kompromiss hält. Kompromiss bedeutet aber, dass die Anlieger jetzt eben nicht den nächsten Schritt gehen und weitere Einschränkungen fordern.
Wer tatsächlich die Glockenschläge auch in der Nacht mag, kann sich locker eine Glocken-App auf sein iPhone oder die Apple Watch laden und die Glockenschläge weiterhin privat genießen.
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