
Jetzt schlägt’s 13, möchte man beim Lesen des heutigen ovb-Berichtes sagen, der über die Bearbeitung des CSU-Antrages zum Thema „kein Glockenschlag mehr am Stadtplatz zwischen 2200 und 0600“ bei der letzten Stadtratssitzung berichtet.
Schon auf Seite 1 unserer Zeitung ist die erste Ungenauigkeit. Der ovb bewirbt den Artikel auf der Lokalseite mit dem Aufmacher „Streit um Glockengeläut“. Ich konnte beim Verfolgen des Tagesordnungspunktes keinen Streit erkennen. „Streit“ kommt von „streiten“. In der Stadtratssitzung hat sich aber tatsächlich niemand gestritten. Unter Streit verstehe ich einen Wortwechsel zwischen zwei oder mehreren Personen. Wann hätte es das schon einmal gegeben? Das gab es noch nie, und das gab es auch nicht in der Stadtratssitzung am Donnerstag, dem 20. Februar 2025. Ich erwähne das Datum nur deshalb, weil der ovb grundsätzlich nicht mehr darüber berichtet, wann die Sitzungen waren.
„Stadträte stinksauer über verstummte Glocken“
Als „stinksauer“ habe ich die Stadträte nicht wahrgenommen. Mit dieser Geisteshaltung sollte man als Stadtrat auch nicht im Sitzungssaal erscheinen. Und schon gleich gar nicht sorgt die Abschaltung des nächtlichen Uhrenschlages für „hitzige Diskussionen“. Dazu wäre es notwendig, dass die Verfechter der Nachtruhe aus der Deckung kommen und mitdiskutieren. Das wiederum geht aber nicht, weil in Neumarkt-Sankt Veit – befeuert durch ovb, einige Neumarkter Rädelsführer und – diesmal muss ich leider gendern – einer Rädelsführerin – ein Kesseltreiben eingesetzt hat. Befürworter der Abschaltung wären in der Stadtratssitzung auch nicht zu Wort gekommen. Man spricht traditionell über Menschen, aber nicht mit ihnen.
„Nur einer nicht. Der schläft jetzt besser.“
Würde ich einen solchen Satz schreiben, würde meine Mama mich an meine gute Erziehung erinnern, denn „Der“ in Bezug auf eine Person galt früher immer als „Wagenschmiere“. Mit erhobenem Zeigefinger hätte ich mir anhören dürfen, dass man das nicht sagt. Gleicher Meinung wäre meine Deutschlehrerin, Frau Gärtner, gewesen. Der Satz stimmt natürlich auch inhaltlich nicht. Denn es schlafen jetzt viele Menschen besser. Viele merken das vielleicht nicht. Aber in der Zeit, in der die Glocke jetzt nicht schlägt, bimmelt sie normalerweise immerhin 118 Mal. Diese 118 Glockenschläge nimmt der Mensch während seines Schlafes zumindest unbewusst wahr.
„Einstellung des Glockenschlages soll wieder rückgängig gemacht werden.“
Bedenklich sei, wenn einzelne Personen solche tiefgreifenden Veränderungen herbeiführen könnten. Langsam, langsam. Die Veränderung haben das Ordinariat und die Kirchenverwaltung herbeigeführt. Es ist völlig offen, welchen Druck „einzelne ortsansässige Anwohner“ überhaupt ausgeübt haben. Im letzten ovb-Bericht fiel das Kartenhaus samt seiner Dramatik von Absatz zu Absatz immer weiter zusammen, bis es sich am Ende nur noch um ein „Anliegen“ handelte.
Wir sprechen auch nicht über eine tiefgreifende Änderung. Chatgpt war auf Befragen der Meinung, dass eine korrekt und durchgehend läutende Kirchenglocke täglich 468 Schläge von sich gibt. Das war mir jetzt doch ein wenig viel, weil ich nur auf 396 kam. Ich „diskutierte“ zehn Minuten mit chatgpt, bis sich die KI korrigierte und meine Zahl als richtig übernahm. Chatgpt ist aber nie beleidigt, so wie es ein Mensch wäre, wenn man seine Meinung während eines Gespräches ständig hinterfragt. Bei 396 Uhrenschlägen entfallen jetzt 118. Das entspricht weniger als 30%. 70% der Uhrenschläge bleiben erhalten. Ich sehe das nicht als „tiefgreifende Veränderung“.
„Ich habe eine Bahn, die bei mir vorbeifährt.“
Diese humorige Aussage gefiel mir schon besser. Bei uns fährt zwar keine Bahn direkt vorbei, aber schon das Hupen am unbeschrankten Bahnübergang an der Wintermeierstraße ist lästig. Chatgpt hat die Luftlinienberechnung zwischen unserem Haus und dem Bahnübergang nicht hinbekommen, bzw. sich zu stark verrechnet. Die perfekte Alternative war: www.luftlinie.org. Je nach dem, aus welcher Richtung der Zug kommt, hupt uns die Lok in einer unakzeptablen Lautstärke aus 400m bzw. 600m Entfernung an.
„Der Großteil der Bevölkerung kann sich den Wohnort aussuchen.“
Das werte ich als Versuch, unliebsamen Mitbürgern unterschwellig mitzuteilen, dass man doch einfach wegziehen könne, wenn einem etwas nicht passt bzw. möchte man uns sagen: Selber Schuld, wer sich eine Mietwohnung auf dem Stadtplatz sucht. Ganz so einfach ist das aber nicht. Als wir uns für unser kleines Reihenmittelhaus entschieden, haben wir keine Checkliste abgearbeitet so nach dem Motto: Ist da irgendwo eine Bahn, die da zufällig jeden Morgen um 0604 hupen wird? Ist da irgendwo eine Glocke, die uns stören könnte? Könnte es im Grüngürtel so viel regnen, dass bei uns der Keller vollläuft? Ist da irgendwo störender Straßenlärm? Ist ein Gewerbegebiet in der Nähe, wo es laut zu geht? Könnte irgendwo in der Nachbarschaft ein Hund sein, der notorisch den ganzen Tag bellt oder eine Kuh muhen? Könnte es irgendwann zu einer Kräheninvasion kommen, die nicht auszuhalten ist? Ist der Mobilfunkempfang gut genug? Hat das Haus eine Chance auf Fernwärme- Gas- oder Glasfaseranschluss? Nein, all das haben wir nicht geprüft. Asche auf unser Haupt.
Wir hätten bei dem einen oder anderen Punkt Pech haben können. Zum Glück ist alles perfekt, bzw. sind die kleinen „Störungen“ zum Aushalten. Dennoch halte ich den Satz der Stadträtin für nicht tragbar. Wer sich für Wohneigentum entschieden hat, ist nicht so einfach in der Lage, sich anschließend den Wohnort noch aussuchen zu können. Laut ovb von 2017 lag die Eigentumsquote im Landkreis Mühldorf bei 60%, in Mühldorf allerdings nur bei 47%. Mühldorf zieht den Durchschnitt nach unten, was im Umkehrschluss bedeutet, dass die Prozentzahl in den kleineren Gemeinden noch höher ist. Laut Statistik ist die Quote zwischenzeitlich leicht gesunken. Belassen wir es bei 60% und stellen fest, das der Großteil der Bevölkerung sich den Wohnort eben nicht (mehr) aussuchen kann.
„Wir sind eine christliche Gemeinde, da gehört der Glockenschlag dazu.“
Langsam kommen wir zum Thema des Tages. Denn hier hat jemand den Sachverhalt nicht verstanden und sich auch nicht aufgeschlaut. Denn der Glockenschlag gehört in Form des Glockengeläuts tatsächlich zu einer christlichen Gemeinde. Hier aber geht es um den Uhrenschlag. Glockengeläut ist christlich, die Uhrenschläge sind weltlich. Unterschied klar? Und deshalb liegt die Verantwortung für den Uhrenschlag in den meisten Gemeinden – Achtung, Überraschung – bei der Gemeinde. Um das zu wissen, müsste man sich im Vorfeld einer Stadtratssitzung informieren, z.B. hier auf katholisch.de, wo das Thema sehr gut erklärt wird.
Und jetzt kommt die Frage auf, warum Neumarkt-Sankt Veit hier offensichtlich eine Ausnahme bildet, denn bei uns ist der weltliche Uhrenschlag in der Verantwortung der Kirche. Und die Frage, warum das eigentlich so ist, und ob sich das vielleicht ändern lässt, hätte man ruhig erörtern können. Man hätte erforschen können, ob es vielleicht – wie in anderen Gemeinden – getrennte Techniken für den Betrieb der Glocken für den Uhrenschlag und das Glockengeläut gibt, womit man die Verantwortlichkeiten trennen könnte. Und schon hätte der Stadtrat die Kontrolle über das Ganze – ganz wie gewünscht.
„Offensichtlich so, dass Minderheiten entscheiden.“
Jetzt müssen wir mal schnell nachrechnen. Stadtrat: 20 Menschen, Anzahl der Neumarkter Bürger: ca. 6.500. Stimmt. Über Neumarkts Geschicke entscheidet eine Minderheit. Kluger Satz.
„Zehn christliche Feiertage stören nicht, dafür das Läuten.“
Wieder diese Ungenauigkeit. Nein, es geht nicht um das Läuten, es geht um das Schlagen, den Uhrenschlag. Das Glockengeläut steht nicht zur Disposition – so weit ich das verstanden habe. Es geht nur um den Uhrenschlag – nehme ich an. Aber wer kann sich schon in die Anwohner am Stadtplatz hineinversetzen? Eine anonyme Umfrage wäre interessant.
„Höre ich nicht, nicht in der Nacht, nicht am Tag.“
Hier haben wir einen Stadtrat, dem es nun wirklich egal sein könnte, ob die Glocken läuten, schlagen, oder still sind.
„Grenzwerte: Daran muss man sich dann auch halten.“
Ach, das hätte ich mir in Deutschland jetzt gar nicht vorstellen können. Gut, dass uns das noch einmal ins Gedächtnis gerufen wird.
„Es geht um das gute Klima in der Bevölkerung.“
Nun, dann sind wir aber wieder beim Thema Kesseltreiben. Dieses gute Klima gibt es zunächst mal nicht mehr.
„Zwei Stadtbrunnen trotz Wasserversorgung“
Ein wunderbares Gleichnis, das sich in seiner Inhaltsleere nur mit folgendem Statement toppen lässt: Nachts ist kälter als draußen.
„Damit es nicht noch weiter eskaliert.“
Das ist neu. Bisher las und hörte ich von Protest, Streit, Beschwerde, Anliegen. Und jetzt? Eskalation. Und wieder sind wir bei unserem Kesseltreiben. Gutes Klima in der Bevölkerung? Da ist der Begriff der Eskalation eher unangebracht.
„Wir sollten auf die Minimallösung beharren.“
Frau Gärtner, bitte melden, hier gibt es grammatikalisch etwas zu klären. Und was bitte ist jetzt die angestrebte Minimallösung? Ich habe den Faden verloren.
„Erfüllte Wünsche haben schnell viele Kinder.“
Verwaltungsrecht à la Neumarkt-Sankt Veit. Wir steigen tief ein in die praktische Auslegung und deren Auswirkung auf Neumarkt-Sankt Veit in den letzten mehr als zwei Jahrzehnten. Wir merken uns diesen Offenbarungseid für die nächste Kommunalwahl.
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