Mittwoch, 15. November 2022, Ukrainekrieg: Raketeneinschlag in Polen

Ich hatte das in gewisser Weise vorausgesagt und die Frage gestellt, was denn wohl passiert, wenn russische Raketen ganz aus Versehen auf Nato-Gebiet einschlagen? Ich hatte hier weiter unten auf Litauen getippt. Jetzt ist das Problem noch ein wenig näher gerückt, weil es bei einem direkten Nachbarn von uns geschehen ist. Die Kommentare deutscher Politiker halte ich für verfehlt. Ich halte zwar große Stücke auf den CDU-Politiker Norbert Röttgen, aber sein Kommentar, dass man fest an der Seite Polens stehe, klingt so ähnlich wie: Viel Glück, liebe Polen, bei der Problembewältigung, wir drücken euch die Daumen. Auch der Russland-Experte Herfried Münkler spielt auf Focus die Situation mit dem Statement, dass das kein zweites Mal passieren darf, herunter. Offensichtlich hat jeder militärische Gegner aus deutscher Sicht wenigstens einen Schuss frei.

Russland kommt uns freilich entgegen und dementiert den Raketenabschuss. Das gibt uns ein wenig Spielraum. Einmal aufatmen. Wir können Zeit gewinnen, um die Sache detailliert zu untersuchen. Da haben wir aber Glück gehabt. Ich bin gespannt, wann wir aufwachen und die russischen Aktionen als das erkennen, was es ist: Putin testet aus, wie weit er gehen kann. Denn die heutigen Präzisionsraketen verfehlen nicht einfach mal um 70km ihr Ziel, denn im Fokus russischer Angriffe war Lwiw. Wäre es ein Irrläufer, wäre es eine Bankrotterklärung für die militärischen Fähigkeiten Russlands. Im Hinblick auf das russische Atomwaffenarsenal ist das eher keine gute Nachricht. War es Absicht, zeigt es die Todeskälte des russischen Regimes. Wir können somit zwischen Beulen- und Lungenpest wählen.

Aber die Polen fühlen uns jetzt zu Recht auf den Zahn. Polen erwägt die Inkraftsetzung des Artikels 4 des Nato-Vertrages. Deutschland kann sich hier nicht mehr lange wegducken.

Ich habe auch schon mal darüber nachgedacht, warum die Ukraine nicht einfach mal den Spieß umdreht und russisches Gebiet beschießt. Ich finde, dass ein solcher Gegenschlag angesichts der Zerstörungswut der Russen in der Ukraine gerechtfertigt wäre. Der Einwand könnte jetzt sein: Wenn überhaupt so etwas denkbar ist, dann bitte aber ausschließlich militärische Ziele angreifen. Ich sage: Vorsicht, Doppelmoral. Jedes militärische Ziel ist auch ein ziviles Ziel. Oder wie halten wir es mit der Reinigungskraft, die grade irgendwo eine Kaserne putzt. Oder was ist mit dem Koch, oder der Küchenhilfe, oder dem Arzt und der Krankenschwester? Was ist mit dem Hausmeister, der grade eine Glühbirne austauscht? Was ist mit den Soldaten, die in Russland zum Grundwehrdienst gezwungen werden? Alle diese Menschen tragen keine Verantwortung für diesen Ukraine-Krieg. Fazit: Im Krieg trifft es immer die Falschen. Krieg ist somit eine äußerst fragwürdige menschliche Erfindung, die man schleunigst rückgängig machen müsste.

Schon 1991 hatte der US-General Norman Schwarzkopf im Kuwait-Krieg dem damaligen US-Präsidenten George Bush vorgeschlagen, nicht einfach nur Kuwait zu befreien, sondern den Schwung gleich mitzunehmen und direkt nach Bagdad vorzurücken, um das Regime von Saddam Hussein im Wüstensand zu zermalmen. Seine Forderung wurde nicht umgesetzt – was ein Fehler war. Denn 1991 hätte die Welt zugestimmt. Im Jahr 2003, als die Amerikaner dann endlich doch im Irak einmarschierten, musste das zweifelhafte Argument herhalten, dass Irak Chemiewaffen besitze. Die erste Idee ist somit immer die Beste.

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