Freitag, 04. April 2025, Lokales: Landkreis Mühldorf tritt MVV bei.

Ich musste über das Für und Wider des Beitritts des Landkreises Mühldorf zu den Münchner Verkehrsbetrieben etwas länger nachdenken. Weil ich die Dinge nicht immer nur negativ betrachten möchte, sinnierte ich zunächst über die Vorteile. Es wäre jetzt wohl zu einfach zu sagen, dass es für mich als Deutschland-Ticket-Besitzer exakt gar keine Vorteile gibt. Dies führt zur logischen Folgefrage, viewiele Menschen im Landkreis Mühldorf ein Deutschlandticket besitzen. Diese Frage wird niemand beantworten können.

Die Rhein-Bahn kassiert, die SOB erbringt die Leistung

Mein Deutschlandticket läuft beispielsweise über die Rhein-Bahn – die ich witzigerweise noch nie benutzt habe. Somit können wir maximal eine Dreisatz bilden. Dazu müssen wir nur noch wissen, dass in Städten und Umgebung 26% der Menschen das Deutschlandticket haben und in ländlichen Regionen nur bei 12%. Aber schon diese offiziellen Zahlen halte ich für nicht nachvollziehbar, wie mein eigenes Beispiel beweist.

Nehmen wir an, dass der Landkreis Mühldorf als Chancenlandkreis und Einzugsgebiet von München vielleicht bei 20% liegt. Im Landkreis Mühldorf leben ungefähr 125.000 Menschen, von denen wir dann schon mal 25.000 Deutschlandticket-Inhaber abziehen können. Schüler bis 18 zahlen sowieso nichts, um zur Schule und zurück zu pendeln. Sie profitieren vom MVV die meiste Zeit ihres Lebens somit auch nicht. Kinder unter sechs Jahren fahren in der Regel mit Bus und Bahn kostenlos. Außerdem gibt es noch die ÖPNV-Muffel, die aus grundsätzlichen Erwägungen heraus nur das Auto benutzen.

MVV-Beitritt ist für unseren Chancenlandkreis ein logischer Schritt – sagt der Landrat.

Die Anzahl der Nutznießer des MVV-Beitritts relativiert sich somit ein wenig nach unten. Mir gefällt außerdem nicht, dass bei dem MVV-System schon wieder der Staat mit meinen Steuergeldern einspringt. Denn die Tickets vergünstigen sich gegenüber den Preisen der Süd-Ost-Bayern-Bahn. Die Differenz zahlt der Freistaat und damit ich. Aber was rege ich mich auf? Das Deutschland-Ticket ist für den Staat auch ein Zuschussgeschäft. Wir freuen uns über günstige Preise, übersehen aber, dass die Kosten zum Betrieb des ÖPNV nicht einfach sinken, nur weil der Landkreis Mühldorf sich zum MVV gesellt.

Ticketkosten sinken, die Gesamtkosten natürlich nicht.

Die Kosten für den Landkreis sind auch nicht von Pappe. Die Initialkosten betragen 260.000 Euro. Die jährlichen Folgekosten sind 230.000 Euro, wobei laut Landrat 100.000 Euro durch Synergieeffekte anderswo eingespart werden. Insgesamt werden die Kosten nur anders geschultert. Das mag im Sinne der Mobilitätswende durchaus ein hehrer Gedanke sein, aber günstiger wird in der Gesamtbetrachtung rein gar nichts. Ganz im Gegenteil. Der neue Neumarkter Kämmerer wittert vermutlich bereits Ungemach durch eine steigende Kreisumlage. Es stellt sich also die Frage, wie die Kreistagsabgeordneten aus Neumarkt-Sankt Veit heute im Kreistag final abgestimmt haben, wo doch im Neumarkter Stadtrat ständig gefordert wird, dass die Kreisumlage sinken müsse.

ÖPNV: Sozialistisch oder Teil der Daseinsvorsorge?

Insgesamt driftet das System in Richtung Sozialismus ab. Man kann aber auch argumentieren, dass die individuelle Mobilität zur grundsätzlichen Daseinsvorsorge gehört, dass also der Staat wie beim Wasser, Strom und Internet die Pflicht hat, funktionierende Systeme bereitzustellen. Das Geld für die Milliarden-Investitionen können wir nicht einfach durch Verbesserungsumlagen vorstrecken. Etwas Staat darf es in sofern schon sein.

Aber das System müsste viel digitaler, viel durchsichtiger sein. Ich bringe immer wieder das Beispiel vor, dass meine Firma die Kosten für das Deutschlandticket an die Rhein-Bahn bezahlt (um sich eine Teil des Geldes über das Gehalt bei mir wiederzuholen), ich aber in ganz anderen Gegenden unterwegs bin. Die Rheinbahn kassiert das Geld, erbringt aber keine Beförderungsleistung. Wie funktioniert also die Verteilung der Gelder? Mein Gefühl ist: Gar nicht. Und sollte es wider Erwarten funktionieren, dann ist es ein Bürokratie-Monster.

Wie aus einer anderen Zeit: Streifenkarten.

Streifenkarten halte ich übrigens für eine Relikt aus den 50er Jahren des letzten Jahrtausends. So etwas dürfte es gar nicht mehr geben. Ich musste mich irritiert abwenden, als der Landrat dieses Ding in die Kamera hielt. Ich meine aber im Video gesehen zu haben, wie er für eine Hunderstelsekunde selbst lächeln musste. Vermutlich dachte er sich: Was werden wohl die Verfechter eines papierlosen Lebens – einer davon aus seiner Heimatstadt – zu den Streifenkarten sagen…

Die Lösung muss heißen: Mobiltelefon und App. Beim Einsteigen in Bahn oder Bus hält man das Mobiltelefon mit der geöffneten App an ein Lesegerät (Stichwort NFC) und beim Aussteigen noch einmal. Effekt: Der Betrag wird direkt vom Konto abgebucht. Vor dem Deutschlandticket bzw. vor den Smartphone-Zeiten musste ich mir immer diese farbigen Zonen auf der Karte anschauen, um daraus zu schließen, welches Ticket ich mir am Automaten ziehen musste. Man musste schauen, wo man einsteigt, dann musste man schauen, wo man aussteigt, und dann musste man die Anzahl der Farben zählen, die man durchfährt. Ich hatte da immer meine mentalen Probleme.

85-jährige Omas als Ausrede für Digitalisierungsfortschritte

Und komme mir jetzt in Sachen App-Nutzung bitte niemand mit der 85-jährigen IT-fernen Oma. Für sie und die Kinder kann es meinetwegen MVV-Scheckkarten geben, die man irgendwo mit einem beliebigen Betrag auflädt. Das Gleiche würde dann für die Deutschland-Tickets gelten. Denn dann wäre immer klar, welches Unternehmen mich gerade transportiert. Und dieses Unternehmen kann dann bei einer Zentralstelle die Kosten geltend machen, alles vollständig automatisiert, natürlich.

Ich habe auch nie verstanden, warum es nicht eine zentrale Online-Plattform für den Erwerb des Deutschlandtickets gibt. Wieso kann ich mir als jemand, der in Oberbayern lebt, das Deutschland-Ticket bei den Hamburger Verkehrsbetrieben kaufen? Das ist völlig sinnbefreit.

Deutschland braucht einfache Lösungen, ohne 150 Ausnahmetatbeständen. Das Deutschland-Ticket ist eine gute Sache, die Streifenkarten sind es nicht.


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4 Kommentare zu „Freitag, 04. April 2025, Lokales: Landkreis Mühldorf tritt MVV bei.“

  1. Romanus Johann Kraft

    Als analog einkaufender Mensch fühle ich mich im täglichen Leben (und auch in den Blogs von M.B.) in letzter Zeit echt diskriminiert. Tendenz steigend.

  2. michael behrens

    Gegen dieses Gefühl gibt es eine Lösung. Montag um 1630, Stadtplatz, Gasthaus Post. Dort gibt es ein Digitaltreffen für ältere Menschen. Ich bin auch dabei. Es wird lustig. Mobiltelefon nicht vergessen. Mit der Diskriminierung – das können wir so nicht stehen lassen – das mache ich wieder gut. /mb

    1. Romanus Johann Kraft

      🙂
      Zum Digitaltreffen werde ich nicht kommen.
      Die smartphonefreie Lebensweise ist eine bewußte Entscheidung auch wenn es zunehmend schwierig wird weil vieles im Handel nicht mehr analog erhältlich ist. Von Buchungen oder Terminvereinbarungen ganz zu schweigen.
      In meinen Augen Nötigung zum Kauf von Hard-/Software.
      Und wenn ich mir anschau wieviel Natur und abgelegene Plätze vom Verschwinden bedroht sind weil inzwischen wirklich alles gepostet werden muß und in Folge von Touristenströmen überrannt wird könnt ich freiweg kotzen.
      Schön daß in manchen Ländern der Trend bereits zurückgeht. Das „Dumbphone“ ist wieder im Kommen.

      1. michael behrens

        Ja, alles so weit richtig. Man muss nicht jedem Trend folgen. Aber man sollte sich auskennen für den Fall der Fälle. IT-technisch von der nächsten oder übernächsten Generation abhängig zu sein, ist keine Option. Und für Deutschland ist es keine Option, sich der Digitalisierung zu entziehen. Denn das bezahlen wir mit Wohlstandsverlust, mit noch mehr Wohlstandsverlust als der, der eh schon droht. Montag 1630. Termin steht.

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