Hört sich doch gut an. “Ich halte doch nur die Karte ran”. Und schon liegen die Medikamente vor der Tür.
Zwar klingeln die Packerlfahrer beim Anliefern von Päckchen noch kurz, doch sind sie scheinbar so im Stress, dass sie nicht warten wollen und die Päckchen vor der Eingangstür platzieren. Auch Trinkgelder, die ich für die Fahrer in der Weihnachtszeit bereitlege, helfen nicht weiter. Die Münzen vergammeln quasi auf der Schlüsselablage.
Zurück zur Online-Apotheke. Was macht es mit den Apotheken, wenn sich dieses Online-Bestellkonzept in Deutschland durchsetzt? Darüber sprach ich mit dem Apotheker meines Vertrauens, der durchaus Interessantes zu berichten wusste. Apotheker sind verpflichtet, für den Notfall die aller-aller-wichtigsten Medikamente eine Woche vorzuhalten. Der Gesetzgeber hat diese Vorhaltepflicht auch auf die Online-Apotheken übertragen. Aus Wettbewerbsgründen erscheint mir das sinnvoll.
Die Umsetzung scheint mir aber komplex zu sein. Wenn die Online-Apotheke beispielsweise ihr Lager in den Niederlanden hätte und ihre Standorte sich in Deutschland eher um die Verwaltung kümmern, dann spielen wir in so einem Fall einfach den Notfall durch.
Im Notfall keine Medikamente?
Kann der Fall eintreten, dass die Medikamente in Holland sind, aber wegen eines Notfalls den Weg nach Neumarkt-Sankt Veit nicht finden? Gut möglich. Putin setzt im Moment auf hybride Kriegsführung. Er lässt offensichtlich Datenkabel in der Ostsee schreddern. Da fährt einfach mal ein Frachtschiff mit ausgeworfenem Anker in der Gegend herum. Der Anker kratzt dann am Meeresboden und “erwischt” dann ein Datenkabel. So ein Pech aber auch. Hat das Schiff doch tatsächlich vergessen, seinen Anker einzuziehen. Kann ja mal passieren.
Und was hat das mit unseren Medikamenten zu tun? Ganz einfach. Wie man sich vorstellen kann, benötigt unsere Online-Apotheke eine IT-Umgebung in einem nicht unerheblichen Umfang. Aus Kostengründen betreibt man alle seine Server – und das dürften Hunderte sein – in der Cloud. Weil aber Cloud nicht einfach nur “Wolke” bedeutet, wird letztlich doch eine Serverfarm benötigt. Diese Server werden von einem großen Anbieter gehostet, zum Beispiel von Microsoft mit seiner Azure-Cloud. Und dieses Datacenter ist zufällig in Finnland. Und ein wichtiges Datenkabel verläuft zufällig in der Ostsee zwischen Finnland und Deutschland. Ausgerechnet dieses Datenkabel ist nun hin, wegen Anker und so.
Ohne IT geht nichts.
In dieser Phase geht die Oma aus Neumarkt-Sankt Veit zum Arzt ihres Vertrauens und braucht ihre Medikamente. Der Arzt diagnostiziert die Wehwehchen der Neumarkt-Sankt Veiter Oma, und stellt das E-Rezept aus. Denn mit etwas Glück funktionieren die deutschen IT-Systeme ja noch. Die Oma hat nun ihr E-Rezept und hält nun mit zittrigen Händen ihre Krankenkassenkarte an ihr Mobiltelefon heran. Wie das alles funktioniert, hat ihr der Enkel so lange erklärt, bis alle der Meinung waren, dass sie es verstanden hat. Und jetzt kommt die Fehlermeldung. Ui, die hat man ihr natürlich nicht erklärt.
Sie wackelt zum Arzt zurück, und beide schauen sich ratlos an. Die Oma ist in Neumarkt-Sankt Veit, ihre Medikamente sind in Holland. Ohne funktionierende IT setzt sich aber kein Packerlfahrer in sein Auto und düst nach Neumarkt-Sankt Veit. Jetzt ist guter Rat teuer. Wo sind denn gleich wieder die zwei Apotheken auf dem Stadtplatz, die jetzt helfen könnten? Ach, zugesperrt? Von den Online-Apotheken plattgemacht?
IT-Experten würden jetzt vermutlich sagen: Behrens, zu schwarz gemalt.
Politiker würden antworten: So weit lassen wir es nicht kommen. Beide Formen der Medikamentenbeschaffung haben ihren Platz in unserem deutschen Gesundheitssystem, usw., blablabla.
Zum IT-Thema kann man natürlich anmerken, dass die weltweite Datenübertragung auf dem robusten Protokoll TCP/IP beruht. Das wurde im kalten Krieg extra dafür erfunden, um Unterbrechungen in den Datenleitungen zu überbrücken. Die Welt ist datentechnisch “vermascht”. Der Ausfall einer Leitung wird locker kompensiert. Das merken wir nicht. Was aber, wenn Akteure wie Russland, China, Nordkorea und weitere wahnsinnig gewordene Akteure in einer konzertieren Aktion einfach 10 oder 20 wichtige interkontinentale Leitungen auf einmal beschädigen?
Dann wird die Nato das übrigbleibende Netz für sich brauchen. Die Oma aus Neumarkt-Sankt Veit hat dann Pech gehabt. Das sind akzeptable Verluste im Sinne von Kollateralschäden.
Oma wird jetzt zahnen. Hätten wir doch noch unsere Apotheken.
Ja. Hätte, hätte, Fahrradkette.
Aber: Ruhig Blut. Der ganze Blog ist fiktiv. Ich hatte ihn eigentlich erst für 2045 geplant und jetzt vorgezogen. Keine Gefahr.
Discover more from Michael Behrens
Subscribe to get the latest posts sent to your email.