Dienstag, 17. September 2024, Libanon: Was geht da ab?

Als diese Meldung als Push-Nachricht auf irgendeinem meiner Kommunikationsgeräte auftauchte, dachte ich mir: Was soll in Libanon schon los sein? Das geplagte Land befindet sich im Würgegriff der Hisbollah und des iranischen Mullah-Regimes. Erst jetzt, wo ich hier lustig meine Freizeit zum Wohle meiner Homepage in Burghausen verbringe, kam ich dazu, mir die Geschehnisse etwas näher anzuschauen und… war überrascht.

Im Libanon sind wie auf Kommando mehrere Hundert Pager gleichzeitig explodiert. Pager trägt man üblicherweise am Mann. Sie hängen am Gürtel, oder aber zumindest so nah am Körper, dass man die Vibration spürt, wenn die Teile loslegen. Die Teile in dieser explosiven Situation am Gürtel befestigt zu haben, dürfte sich heute als besonders ungünstig erwiesen haben, wie sich an den Videos erahnen lässt. Leute, ich denke ausschließlich an die Beinschlagader.

Bei der Feuerwehr dürfte man die Teile kennen. Wenn ein Alarm ausgelöst wird, vibriert der Pager los. Wie bringt man einen Pager technisch dazu, zu vibrieren? Das Zauberwort heißt: Unwucht. Bring man etwas in eine Drehbewegung, was aus Versehen oder absichtlich nicht kreisrund, sondern unwuchtig ist, entsteht ein Geräusch. Zusätzlich vibriert der ganze Pager und bewegt sich – wenn er auf einer Tischplatte liegt – dann auch in irgendeine Richtung. Unwucht ist auch das Prinzip von Sirenen auf öffentlichen Gebäuden.

Ich hatte auch so einen Piepser und habe damit Bereitschaftsdienst gemacht. Die Krönung war die Y2000-Bereitschaft. Alles bibberte, ob die Technik den Jahrtausendwechsel übersteht. Alles easy-going. Das Ding blieb still.

Cui bono.

Jetzt wissen wir, warum diese Teile vibrieren, nicht aber, warum sie explodieren. Hier ist das Zauberwort wiederum: Manipulation. Wer kann Hunderte/Tausende von Pagern manipulieren und fernzünden? Der alte Lateiner würde zusätzlich die alles entscheidende Frage stellen: Cui bono? Wem nutzt es? Und: Wer traut sich das zu?

Die Antwort für alle diese Fragen liegt auf der Hand: Israel. Bei der Beurteilung der Situation stellt sich gleich die nächste Frage: Wie schafften es der Mossad, die Geräte punktgenau so zu verteilen, dass es aus Sicht Israels die „Richtigen“ trifft. Ich glaube, diese Frage war nicht von übergeordnetem Interesse. Israel wusste, dass sich die Hisbollah mit einer Ladung neuer Pager ausstatten wollte und hat in einer einmalig organsierten Aktion diesen Beschaffungsprozess „begleitet“. Denn angeblich haben die Hisbollah-Terroristen ihre Pager erst vor kurzem bekommen. Hört sich ja zunächst auch gut an, wenn die gesendeten Nachrichten maximal verschlüsselt sind. Die Israelis müssen es irgendwie geschafft haben, in die Produktions- oder Lieferkette einzugreifen.

Im Moment schaut es so aus, dass 2.750 Menschen verletzt sind, 200 davon schwer. Acht Menschen sind gestorben. Bild bezeichnet die Funkempfänger sogleich als Hisbollah-Pager. Warum benutzen die Hisbollah-Terroristen überhaupt diese altertümlichen Dinger? Ganz einfach. Der Funk ist zunächst eine Einbahnstraße. Herkömmliche Pager können nur empfangen, aber nur bedingt senden. Damit ist der Träger über Mobilfunk oder GPS nicht ortbar. Das ist für Hisbollah-Kämpfer nicht unwichtig, wenn man vermeiden möchte, dass eine israelische Drohne einem von einer auf die andere Sekunde das Lebenslicht ausbläst.

Der Tod kommt mit der Textnachricht. Öfter mal was Neues.

Dieser Schlag ist ein neuerliches Zeichen Israels an alle Israel-Feinde in der ganzen Welt: Ihr seid nirgends sicher. Wir kriegen euch alle. Wir hören nicht auf, euch zu jagen. Wir machen keine Pause. Wir kennen keine Gnade. Entsprechend sollen die Terroristen – laut Bild – in pure Panik verfallen sein, als sie begannen zu verstehen, was da vor sich geht. Ganz so einfach scheint die Sache mit dem Märtyrertod demnach nicht zu sein.

Ehrlich gesagt bedauere ich jeden, der sich Israel zum Feind gemacht hat. Es ist kein schönes Leben, wenn genau dieses Leben in jeder Sekunde am seidenen Faden hängt und beendet sein kann.

Schon Osama bin Laden wusste – als er sich jahrelang vor den Amerikanern versteckte – dass er sich auf keinen Fall mit einem Pager abgibt. In dem Haus, in dem er wohnte, gab es kein einziges Kommunikationsgerät, kein Mobiltelefon, kein Internet, absolut gar nichts. Jede Kommunikation lief über vertrauenswürdige Boten. Einem solchen Boten kamen die Amis auf die Spur. Sie brauchten vier oder fünf Jahre, damit diese Spur heiß wurde und sie endlich das Zielobjekt in Abbotabad (Pakistan) lokalisieren konnten. Der Rest ist Geschichte. Die Geduld von Geheimdiensten ist schon irgendwie gruselig, von den deutschen Geheimdiensten mal abgesehen.

Ich glaube, dass in der arabischen Welt im Moment in keinem einzigen Pager noch ein Akku steckt. Sie sind alle ausgebaut, falls der Besitzer sich den Ausbau in dieser Situation noch zugetraut hat. Eher wahrscheinlich ist, dass der Pager im nächsten Gully verschwunden ist.

Jede Wette, dass die für diese Aktion verantwortlichen israelischen Soldaten und Geheimdienstmitarbeiter für diesen Coup befördert wurden.

Twitter schnappt gerade über. Videos überall, die man sich wegen Überlastung aber gar nicht anschauen kann. Die Welt ist gerade im Gaffermodus.

Der Witz des Tages ist, dass ein Twitter-Kommentator davon ausgeht, dass Israel der Hisbollah als Wiedergutmachung neue und verbesserte Pager zur Verfügung stellen wird.

Und jetzt um 2300 kommen auch die ersten Erklärungen: RDX-Plastiksprengstoff in den Akkus.


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