Samstag, 29. Juni 2024, Politik, Wirecard-Skandal, ovb-Bericht: Die Commerzbank saß gewissermaßen in der Falle.

Über Wirecard und die Unfähigkeit des deutschen Systems, das Offensichtliche wahrzunehmen und die richtigen Schlüsse und Handlungen daraus abzuleiten, hatte ich hier schon geschrieben, siehe die früheren Berichte weiter unten. Mit dem gestrigen ovb-Bericht wird ein weiteres irres Detail bekannt.

Demnach wusste die Commerzbank schon ein Jahr vor dem Kollaps Bescheid, kam aber aus der Falle, in der sie saß, nicht heraus.

Der Risikovorstand Markus Chromik berichtet darüber, dass eine Betrugsspezialistin über 340 Überweisungen in Höhe von 350 Millionen Euro als verdächtig eingestuft hatte. Gleich 19 Wirecard-Partnerfirmen hätten in einem einzigen Hochhaus in Singapur residiert. Sie wurden alle von den gleichen Leuten geleitet. Auch ohne ein Finanz-Experte zu sein, wäre für mich der Fall klar: Scheinfirmen.

Konstrukt von Scheinfirmen

Die Commerzbank ging den richtigen Schritt und meldete den Vorgang an die Bafin und die FIU, die beide nicht reagierten. Genau mein Humor. Beide Aufsichtsbehörden duckten sich weg. Eventuell verwies man auf die stattfindenden Ermittlungen, die aber in die völlig falsche Richtung liefen, oder besser gesagt: Die man in die völlig falsche Richtung laufen ließ. Dem gesamten System (Politik, Richter, Staatsanwaltschaften) fehlte der politische Wille, dass Offensichtliche als das zu bezeichnen, was es damals schon war: Eine einzige Betrugsmasche. Niemand wagte sich hervor. Die Gefahr, sich mit vermeintlich falschen Verdächtigungen selbst in die Bredouille zu bringen, schien größer zu sein als der Sachverstand.

Die Commerzbank saß deshalb in der Falle, weil man einen Kredit eher nicht rechtssicher verkaufen kann, wenn man selbst schon den Verdacht hat, dass das Wirecard-System ein Betrugssystem ist. Man würde sich sofort dem Betrugsverdacht aussetzen.

Wie es ausgehen kann, wenn man auch nur den kleinsten Fehler macht und das Finanzgebaren eines Unternehmens in Zweifel zieht, zeigt der Fall Ackermann/Deutsche Bank gegen Leo Kirch. Das Verfahren gegen die Deutsche Bank dauerte fast zwanzig Jahre und ging zugunsten der Kirch-Erben aus.

Der Staat reagierte auf die Wirecard-Enthüllungen nicht, und selbst waren einem genau deshalb die Hände gebunden. Sehenden Auges schlitterte man in die finanziellen Verluste, die man realisieren musste, als Wirecard Insolvenz anmeldete. Fragt sich nur, warum die Risikobewertung vor der Vergabe des Kredites positiv ausfiel. Nie etwas von Dan McCrum gehört?

Politik und Staatsanwälte ließen es laufen.

Wirecard gelang im Jahre 2018 sogar der Aufstieg in den DAX. Mich erinnert das an die Geschichte von „Des Kaisers neue Kleider“. Alle wussten, dass da irgendetwas faul ist. Denn schon 2014 schrieb der Journalist Dan McCrum einen kritischen Kommentar zum Unternehmen und recherchierte – trotz Anfeindungen – unbeirrt weiter, zuletzt in einem geschützten Bunker der Financial Times, ohne Internet-Anschluss. Statt ihm zuzuhören, wurde er diskreditiert und es wurde ihm unterstellt, mit Börsenspekulanten unter einer Decke zu stecken. Die deutschen Medien bekleckerten sich derweil nicht mit Ruhm. Der BR berichtete darüber, dass das Handelsblatt die von McCrum vorgelegten Schlüsseldokumente nicht etwa benutzte, um die Sache weiterzuverfolgen. Stattdessen gab man dem damaligen Vorstandsvorsitzenden die Gelegenheit, die Berichte der Financial Times zu widerlegen – und ging zur Tagesordnung über.

McCrum stellt auch die richtige Schlussfrage: Wem wird man bei der nächsten Enthüllungsstory glauben? Wir kennen die Antwort. Benko konnte unbehelligt ein ebensolches Konstrukt aufbauen und ist jetzt insolvent. Wo waren die Medien? Wo sind die Medien? Denn der Fall ist ja nicht ausgestanden. Auch Bundeskanzler Scholz ist involviert. Siehe meinen Bericht über den Hamburger Elbtower.

16. November 2020, Wireard/Bafin-Skandal

Jetzt nimmt die Sache wirklich irritierende Strukturen an. Denn jetzt ist plötzlich sonnenklar, warum die Bafin nur mit Samthandschuhen gegen Wirecard vorgegangen ist. Bafin-Mitarbeiter sollen lustig selber mit Wirecard-Aktien gezockt haben. Geht gar nicht. Aber da die Bafin ja nun mal eine richtige Aufsichtsbehörde ist, werden die Vorgänge nicht etwa von einem Staatsanwalt geprüft, sondern die Bafin prüft sich selbst. Dann wird man vermutlich draufkommen, dass nicht die Bafin-Mitarbeiter die Geschäfte abgewickelt haben, sondern ihre Onkels, Tanten und Omas. Ja dann ist ja alles bestens, und der Vorwurf von Insider-Geschäften lässt sich kaum noch erhärten. Denn vor lauter Geldverdienen sieht man die eigene Oma ja nur einmal im Jahr und hatte folglich überhaupt keine Zeit, der Oma zu erklären, wie man erfolgreich mit Aktien handelt. Also ist das alles reiner Zufall, dass die 88jährige Oma plötzlich ihren Fabel für leistungsloses Geldverdienen entdeckt hat. Von wegen Insiderhandel. Man wird die Sache folglich abhaken, zur Tagesordnung übergehen und weiter ungehemmt Geld verdienen.

02. August 2020, Immer wieder Wirecard

Es stellt sich immer mehr heraus, dass das ganze Firmengeflecht von Wirecard schon seit längerer Zeit eine einzige Betrugsmasche war. Wirecard bestand aus einem Firmengeflecht von 50 Firmen, darunter auch die Wirecard Bank. Allein das Vorhandensein dieses Firmenkonstruktes hätte für die Börsenaufsicht, die BaFin und wie sie alle heißen und natürlich für die Politik maximale Alarmsignale sein müssen. Aber alle Aufsichtsbehörden haben versagt. 50 Firmen: Das riecht ja geradezu nach Verschieben von Gewinnen, Manipulation und der Existenz von Scheinfirmen. Schade nur, dass die britische Zeitung „Financial Times“ die Sache aufgedeckt hat und nicht etwa z.B. die BaFin selbst. Ab 2015 berichtete FT immer wieder über Verdachtsmomente. Im Oktober 2019 mutmaßte FT, dass Drittpartnergeschäfte erfunden sein könnten. Denn alle Gewinnausweisungen von Wirecard kamen über drei Firmen aus Dubai, Manila und Singapur. Da war Deutschland noch im Tiefschlaf. Aber nicht ganz.

Die Aufsichtsbehörde BaFin mit ihren 2.700 Mitarbeitern, die 10.000 Banken, Finanzdienstleister und Investmentfonds beaufsichtigt, war bereits informiert, ging aber nicht etwa gegen Wirecard vor. Vielmehr stellte sie Strafanzeige gegen zwei Journalisten der FT und mehrere Börsenhändler. Die SZ schrieb daraufhin, dass es so aussehe, als baue die BaFin eine Schutzmauer um Wirecard. Und weil ja nichts einfach ist in Deutschland, prüfen sich die Aufsichtsbehörden und die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zu Tode. Erst kommt die Bilanzpolizei DPR (Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung) und erst danach BaFin. Dann kommen die Wirtschaftsprüfer. Dann kommt der Rechnungshof und prüft jetzt die BaFin. Jetzt kommt – zu allem Unglück – auch noch die EU ins Spiel und prüft mit seiner Finanzaufsicht ESMA die Vorgänge. Reicht alles nicht. Selbstverständlich muss jetzt ein Untersuchungsausschuss und ein Sonderermittler her. Und selbstverständlich wird es jetzt juristische Nachspiele geben. Jeder klagt gegen Jeden. Selbst japanische Unternehmen sind mit im Boot. Und jetzt geht doch noch das fröhliche Geldverdienen los. Auf der hohen Kante haben die Management-Versager so einiges. Das reicht locker für Spitzenanwälte, die bereits in den Startlöchern stehen und sich ins Fäustchen lachen. Denn die Manager haben so einiges zu verlieren. Die Vorstellung, nach zehn Jahren Spitzen-Management doch noch nicht für ihr ganzes Leben ausgesorgt zu haben, treibt sie schier in den Wahnsinn.

Aber der BaFin-Chef Hufeld bekommt Rückendeckung von Finanzminister Scholz. Warum geht Scholz diesen Schritt, wo doch all diese Vorgänge noch völlig ungeklärt sind? Hufeld ist als Mann klarer Worte bekannt. Nur gegen sich selbst findet er jetzt keine klaren Worte. Sein Rettungsanker ist, dass die BaFin formal nur für die Wirecard Bank AG zuständig sei, während der Gesamtkonzern im Einvernehmen mit diversen Aufsichtsbehörden als Technologieunternehmen eingestuft worden sei. Na dann ist ja für seinen Ruf und seinen Posten alles bestens. Denn BILD hat den Gehaltsrahmen des aus sechs Mitgliedern bestehenden Direktorats mit 1.345 Mio angegeben, macht also mindestens 224.000 Euro Jahresgehalt für Hufeld. Da lohnt es sich in der Tat, alle Schuld von sich zu weisen.

28. Juli 2020, Wirecard, Infront – ein Skandal jagt den nächsten

Der Sumpf in unserer Bananenrepublik wird immer tiefer. Bei Wire-Card zeigte sich bereits das ganze Ausmaß. Jetzt geht es lustig weiter. Nun gerät der DFB unter Druck. Die Firma Infront (die Günter Netzer mal gehörte) gerät ins Visier. Für ein paar gute Abschlüsse wurden schon mal ein paar teure Uhren locker gemacht oder ein 12.000 Euro-Fahrrad vergeben. Oder es gibt eine Einladung zum Urlaub. Auch nicht schlecht: Ein Sohn eines DFB-Mitarbeiters bekommt justament im Moment eines Vertragsabschlusses einen Job bei Infront. Dafür darf man in einem Ausschreibungsverfahren auch einmal etwas teurer sein. „Etwas“ sind dann kaum wahrnehmbare siebenstellige Beträge. 2013 soll Infront – laut DER SPIEGEL – einen Vertrag als Bandenwerbungsbeschaffer für Spiele der Nationalmannschaft bekommen haben, obwohl ein Mitbewerber um bis zu 18 Millionen günstiger war. Und weil man ja noch nicht genug Geld verdient, verkauft man 30s-Bandenwerbung und spielt nur 29s ab. Das gibt Raum für noch mehr Kohle. Man bekommt ja den Rachen nicht voll genug. Wenn man den DFB befragen möchte, verweist man auf das laufende Verfahren. Zum Glück gibt es diesen Ausweg, sonst müsste man ja tatsächlich einmal Rede und Antwort stehen.


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