Samstag, 20. April 2024, WDR-Doku: Wer kann das bezahlen?

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Es handelt sich um eine Serie, die sich mit armen und reichen Menschen und mit „sex sells“-Nebenjobs, z.B. auf onlyfans.de, beschäftigt. Nach zehn Minuten war mir noch nichts aufgefallen, wo ich sagen würde: Ja, das hat Substanz, darüber können wir uns ernsthaft unterhalten.

Da ist der eine Zeitgenosse, der ausführt, dass er 600-700 Euro im Monat für Lebensmittel ausgibt. Ich kann diese Zahl nicht bewerten. Ich habe keine Ahnung, wieviel wir hier zu Hause für Essen ausgeben. Die Sparkkassenseite informiert uns, dass ein durchschnittlicher Haushalt 417 Euro pro Monat für Lebensmittel, Getränke und Tabakwaren ausgibt. Aber auch diese Zahl gefällt mir nicht, weil hier Tabakwaren mit eingeschlossen sein. Der Betrag von 417 Euro für Lebensmittel pro Haushalt liegt aber auf jeden Fall um einiges niedriger als die 600-700 Euro, die unser Kollege im Film für sich allein ausgibt. Was also ist seine Aussage wert? Nichts. Höchstens, dass er über seine Verhältnisse lebt und willentlich und wissentlich sehr viel mehr Geld für Essen ausgibt als der Durchschnitt.

Handwerker als Gewinner der Krise?

Der nächste Aufreger im Film folgt sogleich. Handwerker im Elektrohandwerk hätten ihre Preise angehoben und seien „echte Krisengewinnler“. Beweis dafür sei, dass die Umsätze um vier Milliarden Euro gestiegen seien. Ich kann mit solchen Botschaften nichts anfangen. Die Sache mit der „Krise“ wird einfach so in den Raum gestellt. Das wäre auch näher zu beleuchten, was „Krise“ bedeutet. Und Umsatz ist nicht gleich Marge. Und nur Marge ist Gewinn.

Dann geht es nach Krefeld, wo seit Jahren das Einkommen der Bevölkerung sinke. Wie definiert sich Einkommen? Scheinbar ist Einkommen nicht gleichzusetzen mit Gehalt. Denn die Gehälter steigen, auch in Krefeld, da bin ich mir sicher – falls man denn einen Job hat. Aber Krefeld sei ein Ort, das ans Ende der 396 Städte in NRW gerutscht sei. Geringverdiener, Rentner mit wenig Rente, Langzeitarbeitslose und Menschen, die Sozialleistungen empfangen, wohnen in Krefeld. Wenn alle diese Menschen Teil der Einkommensberechnung sind und der Anteil dieser Menschen steigt, dann geht es natürlich abwärts, mit dem Einkommen. Aber das ist immer noch kein Indiz für „Krise“. Das sind eher die miesen Auswirkungen unseres Sozialstaates. In Krefeld hat zudem ein Drittel der Menschen Migrationshintergrund.

Einzige Chance, um an Geld zu kommen, sei für viele Menschen das Pfandhaus. Es würden Menschen dort erscheinen, die am 20. des Monats kein Geld mehr haben. Es erscheint der Kunde, der schon mehrmals sein Tablet abgegeben und wieder geholt hat. Wäre doch immerhin besser als zu klauen. Katze versorgen, Bierchen trinken. Das dürfe schon sein.

Pfandhaus als letzter Ausweg

Und weiter geht es. 49,4% der Menschen in NRW verdienten weniger als 2.000 Euro Netto. Auch das ist keine Botschaft, die uns weiterhilft. Wenn im Gegenzug 50,6% der Arbeitnehmer über 2.000 Euro Netto verdienen, dann erscheint das Leben für eine Familie mit zwei Kindern und Eltern, die ein Gesamtnettoeinkommen von 4.000 Euro Netto haben, eher machbar als nicht machbar. Wie ich aber immer sage: Die Miete ist der entscheidende Faktor für die Frage: Reicht das Geld, oder reicht es nicht?

Kommentarlos kommen die Studentin und der Auszubildende und andere Menschen zu Wort, die im Monat 150 Euro, 300 Euro, 270 Euro „übrig“ haben. Die Beträge höre ich wohl, nur fehlt mir die Beschreibung für „übrig“.

Und dann ist sie da, die typische Pfandhauskundin. Sie sei auf das Pfandhaus angewiesen, müsse die Toniebox ihrer Kinder zu Geld machen, sei aber gerade mit dem vierten Kind schwanger. Und weil das Auslösen der Toniebox nicht immer geklappt hat, hat sie dann eben auch wieder neue Boxen gekauft. Das hat sehr viel Sinn. Meine Empfehlung: Zur nächsten Bücherbox gehen und nach kostenlosen Kinderbüchern Ausschau halten.

Grundsätzlich rechnen kann unsere bald vierfache Mama nicht, sonst würde sie sich ohne jedes finanzielle Polster keine Großfamilie aufbauen. Das Rechnen reicht aber offensichtlich noch so weit, um auf die Kindergrundsicherung zu schielen. Das ist ein Beispiel, dass dieses links-rot-grüne Projekt nach hinten losgehen wird. Offensives Kinderkriegen im Schatten der Kindergrundsicherung. Es wäre schon gut (gewesen), die Einzelschicksale und ihre Geschichten zu hinterfragen. Jedes vierte Kind lebe in Krefeld in Armut. Auch damit kann ich nichts anfangen. Denn ein paar Dutzend Großfamilien mit je einem halben Dutzend Kinder ziehen die Armutsbilanz für Kinder unzulässig nach unten. Und für all das brauchen wir die Kindergrundsicherung? Ich werde das Thema in einem weiteren Blog analysieren, denn es gibt einen brandaktuellen Brandbrief von Jobcenter-Personalräten an Bundeskanzler Scholz.

Anschließend wird im Film auf eine private Kita geschwenkt, die Geldsorgen hat. Passt gut zum vorherigen Thema. Ein Vater kommt zu Wort, der seinen monatlichen Kita-Beitrag für seinen zweijährigen Sohn auf 865 Euro beziffert (Beitrag: 640 Euro, Spende: 125 Euro, 100 Euro Essensgeld). Und die Spirale geht durch Teuerungen und Tariferhöhungen weiter nach oben. Beim Thema Kita sind Politik und Gesellschaft intellektuell am Ende. Aus. Vorbei. Das System funktioniert hinten und vorne nicht mehr. Die Politik schaut hier einerseits tatenlos zu und verschärft die Problematik durch Kinderbetreuungsgesetze, Recht auf Ganztagsbetreuung – die ganze Pallette an Sozialleistungen halt, die sich der lins-rot-grüne Sozialstaat vorstellt. Seriös finanzierbar ist nichts davon.

Um die Schere zwischen Arm und Reich zu demonstrieren, geht es nach Wuppertal zu einer Luxus-Camper-Firma. Ja, gibt es hier denn keine Krise? Nein. Die gibt es bei Volkner-Mobil nicht. Die Moderatorin wundert sich auf ganzer Linie, schätzt dann eben aber auch richtig ein, dass ein paar Millionäre 30 Angestellte bei Volkner in Brot und Lohn halten. So viel zur völlig deutschen Neiddebatte.

In der Nachbetrachtung war die erste Folge der WDR-Serie eine echte Doku-Soap, die einer exakten inhaltlichen Analyse nicht standhält. Ich werde gelegentlich die zweite Folge anschauen. Vielleicht nutzt man die Luft, die nach oben da ist.

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