Montag, 01. April 2024, Cannabisbesitz ab heute erlaubt. Und jetzt?

Nun geht es ans Eingemachte. Ab heute darf man Cannabis besitzen. Die spannende Frage lautet: Wo kann man ab heute bzw. morgen Cannabissamen bzw. Stecklinge bzw. Pflanzen kaufen? Ist der Besitz erlaubt, muss es ja auch legale Quellen geben, Cannabis zu erwerben. Aber: Pustekuchen. Der Deutsche Hanfclub stellt gegenüber dem BR klar, dass es weiterhin praktisch keine legalen Quellen für den Bezug gibt.

Das Bundesgesundheitsministerium weiß es auch nicht besser und bestätigte lediglich, dass man Cannabis ab sofort besitzen dürfe. Einen Nachweis, wo das Zeug herkommt, müsse man nicht erbringen. Also googelte ich mal auf einer österreichischen Seite nach den Preisen und dem Bestellprocedere. Aber ach. Was musste ich lesen? Bestellungen nicht möglich, Preise nicht zu sehen. Stattdessen entschuldigte man sich für eine überlastete und dadurch langsame Webseite, bedingt durch das neue Cannabis-Gesetz in Deutschland. Also wieder ein Satz mit X. Zumindest konnte ich herausfinden, dass drei weibliche Samen ungefähr dreißig Euro kosten können.

Der Import aus EU-Ländern ist in der Tat legal, jedoch haben die ausländischen Firmen Lieferschwierigkeiten. Dazu kommen jetzt Möchtegern-Cannabis-Gärtner wie unsereins. Ich will zwar keinem Cannabis-Verein beitreten, aber Cannabis innerhalb der erlaubten Grenzen anbauen. Ob ich mich nur am Pflanzenwuchs und am verströmten Duft erfreuen werde, oder auf meine alten Tage noch das Kekse-Backen erlernen möchte, steht auf einem anderen Blatt Papier. Die deutsche Gesetzgebung hat somit direkten Einfluss auf die Preise für Cannabis in Österreich.

Die Österreicher werden begeistert sein, wie sich das Prinzip von Angebot und Nachfrage deutlich auf das Pricing auswirken wird. Die Preise werden auf den Webseiten in diesem Moment geändert. Bezeichneten die Österreicher uns Deutsche bisher als Piefke, so könnte sich demächst der Begriff Kiffke durchsetzen.

In diesem ganzen Cannabis-Chaos scheint es nur einen Gewinner zu geben: Der Dealer von neben an. Wollte man nicht genau diesen Leuten die Geschäftsgrundlage entziehen? Der Hanf-Club wiegelt ab. Diese Entwicklung sehe er nicht. Aber klar ist, dass man einen Dealer, der mit 25 Gramm unterwegs ist, nicht dingfest machen kann, weil man ihm keine Verkaufsabsicht nachweisen kann. Er geht halt einfach spazieren und erfreut sich am schönen Wetter. Die Polizei muss ihn beschatten und auf frischer Tat ertappen. Frage: Wollte man die Polizei nicht entlasten? Aber offensichtlich erreicht man das Gegenteil. Und wer sagt eigentlich, dass der Schwarzmarkt nicht zu Dumpingpreisen greift, was eine legale Aufzucht völlig sinnlos erscheinen lässt? Die drei, fünf oder sieben Samen liegen demnächst einfach unaufgefordert im Briefkasten, zusammen mit einer Anbauanleitung und einer Bitcoin-Wallet-Adresse. Klappt die Bezahlung, funktioniert das Geschäft per stillschweigendem Übereinkommen auf Dauer. Völlig legal: Denn wie wir zu unserem Samen kommen, spielt – wir erinnern uns – keine Rolle. Durch bayerische Anbauvereine werden Lieferungen vor Spätsommer jedenfalls eher nicht möglich sein. Bis dahin ist der Kuchen aber verteilt.

Kommen wir noch schnell zum Stromverbrauch. Es ist anzunehmen, dass Cannabis unter künstlichem Licht am besten gedeiht. Das heißt, dass der Anbau in Innenräumen stattfindet, was auch dem gesetzlich geforderten Diebstahlsschutz entsprechen würde. Für einen Quadratmeter angebaute Cannabispflanzen braucht man eine Leuchtkapazität von 320 Watt, und dies bis zu 18 Stunden pro Tag. Wie cool von mir, dass ich mir gerade eine PV-Anlage bestellt habe, weil man – falls ich in Elektrotechnik in der Berufsschule richtig aufgepasst habe – über das Jahr 2.100kW braucht, wenn man einen lückenlosen Betrieb von einem Quatratmeter Anbaufläche über 365 Tage aufrechterhalten möchte. Verglichen auf den Gesamtverbrauch in unseren vier Wänden wäre das eine Steigerung des Stromverbrauchs um 60%. Muss man 365 Tage am Stück Cannabis anbauen? Ich fürchte ja. Allein auf der ersten Seite, die ich nach Cannabis-Typen ergoogelte, fand ich 52 verschiedene Sorten. Die muss man ja alle ausprobieren, bevor man seine Wunschsorte hat. Das kann dauern und ist aufwändig. Jetzt wäre es natürlich am besten, man könnte sich 52 einzelne Samen der verschiedenen Sorten kaufen. Aber wieder Pustekuchen. Die kleinste Packungsdichte sind fünf Samen. Ich sehe vor meinem geistigen Auge eine irre Anzahl von Pflanzen und Joints auf mich zukommen. Denn verschenken bzw. weiterverkaufen darf man überflüssige Samen vermutlich auch nicht. Vor meinem geistigen Auge nehmen somit nicht nur die Anzahl der Joints zu, sondern auch die Anzahl der rechtlichen Probleme. Stichwort: Kiffer-Party.

Was ich mir auch schlecht vorstellen kann, ist die eigene Betrachtung der Fahrunfähigkeit. Die Alkoholtrinker haben mit ihrer Selbsteinschätzung jahrzehntelange Erfahrung. Sie wissen, was sie abends trinken dürfen, um frühmorgens das Auto gefahrlos für die Fahrt zur Arbeit nutzen zu können. Aber wer kann demnächst korrekt einschätzen, ober er ein, drei oder fünf Nanogramm THC im Blut hat? Bussgeldkatalog.org empfiehlt, sich erst 24 Stunden nach Cannabis-Genuss ans Steuer zu setzen. Gleiches wird wohl auch für das Fahrradfahren gelten. Ich darf mich somit nach dem erfolgreichen Abschluss einer Arbeitswoche am Freitagabend nicht mit einem Joint belohnen, wenn ich Samstag in der Früh mit dem Fahrrad zum Semmelnholen auf den Stadtplatz radeln möchte. Samstagabend klappt es mit dem Joint auch nicht, weil man zum Sonntagsgottesdienst nicht bekifft zu seinem Herrgott gehen möchte. Und Sonntagabend fällt aus, weil viele Firmen untersagen werden, unter Cannabis-Einfluss zu arbeiten. Ich muss zwar nicht Autofahren – aber ich muss in Richtung Homeoffice verletzungsfrei eine Treppe nach unten überwinden und bei meinem IT-Equipment bestimmte Einschaltknöpfe finden. Frage: Flitzen zehn Finger unter Cannabis-Einfluss eher langsamer oder vielleicht sogar schneller über die Tastatur? Senkt Cannabis vielleicht die Tippfehlerrate?

Ich habe das dumpfe Gefühl, dass wir alle zu Kiffern werden. Aus der Neugier, es einmal zu probieren, wird später ein „ab und zu“ und noch später eine Regelmäßigkeit. Wie beim Bier. Da fällt es unserem Land auch nicht auf, dass der Alkoholkonsum zu gravierenden gesundheitlichen und gesellschaftlichen Problemen führt. Anstatt sich diesem Thema zu widmen, macht man die nächste Büchse der Pandora auf. Herr Lauterbach: Danke für nichts. Es grüßt Sie ein zukünftiger potenzieller Kiffer.

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