Dienstag, 05. März 2024, Politik: Was hat die Berlinale mit Klopapier zu tun?

Letztens hatte ich darüber sinniert, warum die Kultusstaatssekreräin Claudia Roth bei der Berlinale für ihre Rede am Eröffnungstag Applaus bekam. Ich schlussfolgerte, dass das mit der Filmförderung zusammenhängen muss. An diesem Tropf hängen vermutlich faktisch alle deutschen Filmschaffenden. Jetzt macht ein Dokument die Runde, das die Sache in ein noch fragwürdigeres Licht rückt. In ihm werden strengere Standards für Filmschaffende gesetzt, falls diese eine Förderung beantragen. Ich fasse die Dinge in Stichworten zusammen:

  • Erklärung der Geschäftsführung zu ökologischen Standards, vor Beginn der Produktion
  • Vorlaufende CO2-Bilanz (Einschätzung wie hoch die Emission für eine Filmproduktion sein werden)
  • Nachlaufende CO2-Bilanz (man ahnte es: Detaillierte CO2-Erfassung nach Abschluss des Projektes, mit Hilfe des CO2-Rechners der MFG)
  • Abschlussbericht: Über alle Muss-Vorgaben – das sind 17 von 22 – ist Rechenschaft abzulegen
  • Green Consultant: Muss in einem mehrtätigen Kurs ausgebildet werden (Energieeinsatz, Personen/Materialransporte, Unterkunft/Verpflegung, Materialeinsatz)
  • Ökostrom in allen Betriebsstätten
  • Einsatz von Dieselgeneratoren nur, wenn die Kabellänge zum nächsten Netzanschluss mehr al 100m betragen würde, und nur drei Tage, ansonsten Meldung im Abschlussbericht mit Begründung
  • Einsatz eines Power-Grid-Mgmt-System bei Einsatz von mehreren Generatoren
  • Bei Studio-Produktionen mit Zuschauer-Beteiligung: ÖPNV-Angebot für Zuschauer
  • keine Flüge, wenn Bahnfahrt weniger als fünf Stunden dauert
  • Privatjets verboten, es sei denn, sie sind Teil des Films
  • jeder dritte PKW muss co2-reduziert sein, bei über 7,5t: jedes vierte Fahrzeug, bei Diesel nur Euro6-Norm
  • 50% der Übernachtungen in umwelt-zertifizierten Unterkünften
  • Verwendung regionaler Lebensmittel oder Bio-Lebensmittel, rein vegetarisches Caterin an einem Tag pro Woche, Befragung zum Fleischkonsum
  • kein Einweggeschirr, bedarfsgerechte Essenausgabe
  • keine Einwegbatterien
  • Klopapier mit 90%-Altpapieranteil

Mit dem Klopapier schließt sich der Kreis. Wer zahlt schafft an. Und keiner beschwert sich. Einige Punkte könnte ich auf Machbarkeit hin in Frage stellen. Andere Punkte könnten mich zu satirischen Fußnoten verleiten. Ich möchte es aber vermeiden, eine wissenschaftliche Arbeit zu erstellen und lasse insbesondere die Sache mit dem Klopapier auf den Leser wirken. Man hat insgesamt das Gefühl, dass ein großer Teil der gewährten Filmförderung direkt in die Erledigung der neuen bürokratischen Vorgaben fließen muss. Genau dafür war die Filmförderung wohl doch eher nicht gedacht, oder? War die Koalition nicht angetreten, der Bürokratie den Kampf anzusagen? In der Praxis ist das Gegenteil der Fall. Hier ist das Dokument:

https://www.green-motion.org/files/16_green_motion/Dokumente/OEkologische_Standards_Januar_2024.pdf

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