Sonntag, 30. Juni 2024, Fußball-EM: Schweiz – Italien 2:0 (1:0)

Es war unglaublich zu sehen, mit welchem Selbstverständnis die Schweizer gestern das Spiel gegen die Italiener bestritten. Das Selbstbewusstsein der Schweizer, dieses Spiel gewinnen zu wollen, wurde von der ersten Minute an deutlich.

Man kann deshalb den Sieg auch nicht als Sensation sehen. Es bleibt aber einigermaßen überraschend, dass der amtierende Europameister Italien im Achtelfinale sang- und klanglos ausgeschieden ist.

Ich weiß nicht, ob es von den Ansetzungen her möglich ist, aber eine Finalpaarung Österreich gegen die Schweiz wäre im Sinne einer Wachablösung eine Ansage an Fußball-Europa.

Wobei die Schweiz ihren Sieg gegen Italien deutlich lockerer herausgespielt hat als Deutschland.

Und die Österreicher haben eh eine Rechnung mit Deutschland offen. Die Deutsche Bahn hat es beim ersten Spiel der Österreicher (gegen Frankreich) geschafft, eine Menge österreichische Fans zu verprellen, die in Passau strandeten, weil es zwischen Passau und Regensburg eine Großbaustelle gibt. Wo war in dieser Situation das Escalation-Management der Deutschen Bahn? Ich hätte als Bahn-Verantwortlicher alle Großtaxen der ganzen Gegend zusammengetrommelt und die Leute nach Regensburg bringen lassen, damit die Fans ihre Anschlusszüge bekommen. Diese Blamage hätte ich abgewendet.

Auf vol.at gibt es die ganze Breitseite gegen die Deutsche Bahn und natürlich somit indirekt auch gegen unser ganzes Deutschland.

Neues Schmählied der Österreicher: „Die Deutsche Bahn ist so im Oasch“

Dabei zeigt uns doch ein Nachbarland, wie es funktionieren kann: Die Schweiz. Dort ist die SBB (Schweizerische Bundesbahnen) schon seit jeher ein Staatsbetrieb. Dort erkannte man die Zeichen der Zeit schon frühzeitig und setzte eben nicht auf eine untaugliche Privatisierung. Die SBB investiert (pro Kopf) viermal so viel Geld wie die Deutsche Bahn. Verspätungen sind dort verpönt und finden faktisch nicht statt. Die SBB ist Teil des schweizerischen Nationalstolzes.

Würden in der Schweiz die Uraltzüge fahren, in die unsereins einsteigt, um von Neumarkt-Sankt Veit nach Mühldorf zu gelangen, gäbe es in der Schweiz eine Revolte. Handstreichartig würde man dort eine Volksabstimmung starten und die Züge verschrotten.

Als die SBB letztens die Preise erhöhte, gab es keine Debatte, keine Diskussion. Die SBB ist den Schweizern heilig. Das ist das Gegenteil von Spaltung.

Für die Schweizer ist es auch kein Problem, dass die SBB mit Steuermitteln finanziert wird. Während wir über Umweltschutz durch den Ausbau der Bahn reden, wird diese Logik in der Schweiz ausgelebt.

Natürlich steht auch die Schweiz mit ihren SBB vor großen Herausforderungen, wie die NZZ schon im Jahre 2019 zu berichten wusste. Aber zu Deutschland gibt es einen entscheidenden Unterschied. Es fehlt der Zwang zur alles plattwalzenden Gewinnerzielung. Mit diesem Widerspruch lebt die Deutsche Bahn jetzt seit 1994. Und dieser Widerspruch ist sogar im Grundgesetz verankert, denn dort steht: „Eisenbahnen des Bundes werden als Wirtschaftsunternehmen in privat-rechtlicher Form geführt.“ In Absatz 4 heißt es: „Der Bund gewährleistet, daß dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen (…blablaba…) Rechnung getragen wird.“ Wie passt das zusammen? Wir ahnen und wissen es. Gar nicht.

Wenn man sich zudem überlegt, wie die Bahn in einzelne Sparten „zerlegt“ wurde, wird überdeutlich, dass die Bahn nie und nimmer erfolgreich sein kann. Ende 2020 hatte die Deutsche Bahn laut eurailpress.de 521 Tochtergesellschaften und Unternehmensbeteiligungen. Im Jahre 2010 waren es gar 865. Eine Katastrophe in jeder Hinsicht, die exakt die Auswirkung hat, zu der überdurchschnittlich viele Firmen in Deutschland neigen: Man beschäftigt sich bis zum Umfallen mit sich selbst. Ganze Bürotürme zerfressen sich in reiner Selbstverwaltung. Und man kann sich dann auch so toll und so lange gegenseitig Rechnungen schreiben, bis es steuertechnisch passt. Man leistet sich 521 Geschäftsführer, 521 stellvertretende Geschäftsführer, 521 Assistenten der Geschäftsleitung. 1.042 Dienstwägen. 521 x IT, 521 x Verwaltung.

Die Bahn mit ihren 521 Tochtergesellschaften und Beteiligungen

Und das alles ist nur ein Teil der tatsächlichen Kosten. 521 Betriebsratsorganisationen kommen noch hinzu und nicht zu vergessen und ganz wichtig: Mindestens 521 Faxgeräte. Aufsichtsräte in unbekannter Anzahl fehlen in der Aufzählung noch, ebenso 521xFinanzverwaltungen. Von diesem Konstrukt leben dann noch eine unbekannte Anzahl von Serviceerbringern, die über Wartungsverträge (für die Fax-Geräte) ihr Geld verdienen. Die Anschaffung von Mobiltelefonen und der Abschluss der dazugehörigen Mobilfunkverträge müssen wir auch noch betrachten. Ich spreche – wohlgemerkt – nur von Dingen, die notwendig sind, um Firmen als solches organisatorisch einsatzfähig zu halten. Wir sprechen nicht vom eigentlichen Business. Da sind wir von der Verlegung einer Schiene noch meilenweit entfernt.

Bei der Gewinn- und Verlustübersicht für das Jahr 2022 weist die DB eine Gesamtleistung von 60.425 Milliarden Euro aus. Letztlich wurden Ertragssteuern von 1,159 Milliarden Euro gezahlt, wodurch das Jahresergebnis final auf -227 Millionen Euro fiel. So wird das nichts, mit der Tilgung von 34 Milliarden Euro Nettoschulden.

Wir Deutsche haben auch erheblich zum Niedergang beigetragen. Gegen Streckenschließungen gab es kaum Proteste, abgesehen von der Waldbahn in Bayerisch Kanada entlang des Flusses Schwarzer Regen. Wollte man aber in Berlin eine nach dem zweiten Weltkrieg eingestellte Zugstrecke wiederbeleben, so vergingen von 1993 (Entscheidung, die Bahn wieder in Betrieb zu nehmen) bis 2025 (dann rollt der Zug wieder) 32 Jahre. Anwohner hatten sich bis zum Bundesverwaltungsgericht hochgeklagt. Das alles wegen 16km Strecke. Purer Egoismus, kein Sinn für das Gemeinwohl.

32 Jahre für die Wiederbelebung einer 16km langen Bahnstrecke

Um gegen den Klimawandel anzukämpfen, kann es ja gar keinen Zweifel daran geben, das Bahnnetz auszubauen. Doch erkennbar geschieht wenig. Die SZ mit ihrem Klimafreitag findet die richtige Überschrift: „Der Klimawandel überfordert“. Wieder einmal lesenswert, wobei eine zweite Überschrift dazugehört hätte: „Die Klimapolitik überfordert.“ Man könnte auch sagen: „Die Preispolitik überfordert.“. Heute früh: Fahrt zur Tankstelle. Getankt für einen Literpreis von 1,62 Euro. Nach dem Bezahlen wieder Richtung Auto gegangen und noch einmal einen flüchtigen Blick auf die Preise geworfen, Hä? Plötzlich war der Literpreis bei 1,75 Euro.


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