
https://www.wsi.de/de/pressemitteilungen-15991-weiter-lohngefalle-zwischen-west-und-ost-71794.htm
Ich war vorgestern über unseren ÖRR wirklich verärgert. Am Vorabend des Jahrestages der Deutschen Einheit wäre es geboten gewesen, das Verbindende in Deutschland herauszustellen. Stattdessen wurde eine Studie des WSI (Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Instituts der Hans-Böckler-Stiftung) thematisiert, in dem auf die Lohnunterschiede zwischen den alten und den fünf neuen Bundesländern eingegangen wird. Hier wurde der ÖRR seiner Rolle nicht gerecht.
Und das WSI gefiel sich offensichtlich darin, seine Studie drei Tage vor dem Jahrestag zu veröffentlichen. Schauen wir uns einige Aussagen des WSI an:
„Mindestlohn hat Angleichungsprozess in den letzten zehn Jahren beschleunigt.„
Es ist schade und auch ein volkswirtschaftlicher Fehler, dass es nicht die Produktivität ist, die die Löhne und Gehälter verbessert, sondern staatliche Reglementierung.
„Für die breite Mehrheit der Beschäftigten, deren Entgeltniveau über dem Mindestlohn liegt, führt der Weg zu besseren Löhnen über Tarifverträge.“
Wiederum ist es bedenklich, dass Löhne nicht durch organisches Wirtschaftswachstum steigen, sondern durch die Macht der Gewerkschaften. Damit wird nichts weiter in Gang gesetzt als eine Lohn-Preis-Spirale.
„Während Vollzeitbeschäftigte in Westdeutschland im Jahr 2024 durchschnittlich 4.810 Euro brutto im Monat verdienten, waren es in Ostdeutschland nur 3.973 Euro monatlich – ein Unterschied von 17,4 Prozent„
Wieso „nur“? Ohne die Lebenshaltungskosten wie Miete in den Blick zu nehmen, ist dieser Satz nichts wert. Die nackten Zahlen werden aber durch statista bestätigt:
„Beschäftigte verdienten in Deutschland im April 2024 durchschnittlich 25,94 Euro pro Stunde. Das Lohnniveau in den neuen Ländern lag mit 22,00 Euro um 4,56 Euro deutlich unter dem Durchschnittsverdienst in den alten Ländern (26,56 Euro).„
In Prozent (17%) klingt der Unterschied viel, in Euro erscheint er mir nicht so hoch. Ich bin mir sicher, dass der Begriff „Lohnniveau“ im eigentlichen Sinne „Lohn- und Gehaltsniveau“ bedeutet.
Angestellte bekommen Gehälter und leisten Mehrarbeit, die in vielen Fällen mit dem Gehalt abgegolten sind. Wenn wir annehmen, dass ein Angestellter für sein Gehalt wöchentlich stetig 40 Stunden statt der vertraglich vereinbarten 38 Stunden arbeitet, dann entgeht dem Angestellten 9,5% seines Gehaltes. Für das Jahr 2023 sprechen von der beträchtlichen Anzahl von 775 Millionen unbezahlten Arbeitsstunden in 2023. Wie haben das WSI und Statista die unbezahlte Mehrarbeit von Angestellten in den Stundenlohn eingerechnet?
775 Millionen unbezahlte Mehrarbeitsstunden
Diese Wahnsinnszahl kann nur geschätzt worden sein, weil Deutschland das EU-Recht bezüglich einer generellen Arbeitszeiterfassung für wirklich jeden Arbeitnehmer noch nicht in deutsches Recht umgesetzt hat. Viele Angestellte arbeiten – unter dem Radar – ganz einfach immer mehr Stunden, als vertraglich vereinbart ist, ohne dies für sich selbst zu dokumentieren. Selbst bei einer Umfrage unter Angestellten wären wohl die wenigsten in der Lage, ihre tatsächlichen Arbeitszeiten der letzten 12 Monate seriös anzugeben. Im Modus der Vertrauensarbeitszeit geht das unter.
Mir fehlt somit grade die Vorstellungskraft, wie diese vielen Stunden in die Berechnung von Durchschnittsstundenlöhnen in Ost und West eingeflossen sein könnten, weshalb ich es für eine unzumutbare Verkürzung von Zahlen halte, wenn uns einfach zwei Werte hingeschmissen werden. Ich gehe noch einen Schritt weiter und behaupte, dass die zwei Zahlen unserem Land überhaupt nicht weiterhelfen.
Zwei Werte reichen nicht als Beweis für den abgehängten Osten
Die Präsentation durch den ÖRR ohne eine Story dahinter wirkte spalterisch. Den Umstand der ungleichen Lohn- und Gehaltsverteilung darf man nicht zu nah ans sich herankommen lassen. Lässt man das zu, wird das eigene Gerechtigkeitsempfinden zu stark strapaziert. Und damit lebt es sich dann bedeutend frustrierter, siehe Heidi Reichinnek von den Linken.
Der ÖRR hätte also gut daran getan, die zwei Zahlen in einen sinnvollen Kontext zu stellen statt sie auch noch zum schlechtest möglichen Zeitpunkt in die Welt zu pusten. Leider hat der ÖRR den letzten Teil des WSI-Berichtes dabei auch noch geflissentlich ignoriert.
Genau dort nimmt die Studie das Lohn-Gefälle innerhalb der alten Bundesländer ins Visier. Demnach liegen die Stundenlöhne in Schleswig-Holstein mit 22,15 Euro derzeit 17,6 Prozent unterhalb des westdeutschen Spitzenreiters Hamburg mit 26,88 Euro. Aber was bedeutet dieser Unterschied für das tägliche Leben? Nichts. Wenn ich in einem gottverlassenen Nest in Schleswig-Holstein im Vergleich zu Hamburg nur ein Drittel der Miete zahle, dafür aber einen freien Blick auf die Nord- oder Ostsee habe, dann kann ich mit dem geringeren Stundenlohn sehr gut leben. Dann bin ich vielleicht sogar besser dran als der Hamburger.
Länderfinanzausgleich als Relikt des Scheiterns
Der ÖRR hat sich leider aber nur mit der Verbreitung einer Schlagzeile befasst. Den Menschen im Osten – und uns auch – wird suggeriert, dass die Lebensverhältnisse dort wegen niedriger Löhne hinterherhinken. Hätte man etwas länger nachgedacht, wäre man darauf gekommen, dass das Problem in den alten Bundesländern zu finden ist. Die dort herrschenden ungleichen Lebensverhältnisse kennen wir seit 1950. Das war das Geburtsdatum des Länderfinanzausgleiches. Bis zur Wende vergingen 39 Jahre, ohne dass das Ziel (gleiche Lebensverhältnisse) erreicht worden wäre. Mit dieser historischen Schieflage (die bis heute anhält) hat der ÖRR aber so gar keine Probleme. Das ist ihm nicht einmal eine Erwähnung wert. So wie der ÖRR die GEZ-Gebühren für gottgegeben hält, so für in Stein gemeißelt hält er auch die Dauerfinanzierung von sieben alten Bundesländern durch Bayern, BW, Hessen und Hamburg.
Es ist somit völlig klar, dass 35 Nachwendejahre nicht ausreichend sein konnten, die fünf neuen Bundesländer auf das gleiche Lohn- und Lebensniveau zu heben, wie wir es beispielsweise in Bayern haben. Aber wie gesagt: Für mich hinkt der Vergleich.
Die Unzufriedenheit eines Teils der Menschen in den neuen Bundesländern ist nicht der Frust über vier Euro weniger Stundenlohn. Es ist vielmehr ein Protest gegen die Migrationspolitik, gegen die Politik während der Corona-Zeit, die Auswüchse grüner Klimapolitik, das Verteilen von Milliarden Euro in alle Welt und den Genderismus und Selbstbestimmungs-Hype – um einmal fünf Themen herauszupicken.
Die Nähe zur AfD ist Ausdruck einer Protesthaltung gegen das politische Establishment, das die ihm anvertrauten Steuergelder auf eine falsche Weise ausgibt und das Land in eine falsche Richtung führt.
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