Samstag, 12. Juli 2025, Air-India-Katastrophe: Die Hinweise verdichten sich.

Ich hatte ja in meinem früheren Blog schon auf einen Pilotenfehler getippt. Dann kamen aber die Hinweise auf, dass das RAT (Ram Air Turbine) beim Absturz ausgefahren war. Und dies passiert nur, wenn beide Triebwerke ausfallen. Dass beide Triebwerke aber wenige Sekunden nach dem Abheben gleichzeitig versagen, obwohl der Schub beider Triebwerke wenige Sekunden vorher noch vollständig zum Starten ausreichte – das wollte mir einfach nicht einleuchten. Denn es gibt zwischen den beiden Triebwerken kaum technische Berührungspunkte – außer die beiden Piloten.

Das RAT ist ein kleiner Propeller, der durch Windeinwirkung Energie erzeugt. Das ist notwendig, weil die Batterien des Flugzeuges zu wenig Power haben. Das erklärt auch, warum es – außer dem RAT- noch das APU-System (Auxiliary Power Unit) gibt. Das APU (eine kleine Gasturbine) wird am Boden insbesondere für den Triebwerksstart benötigt.

Wie konnte ich also mutmaßen, dass nicht gleichzeitig beide Triebwerke ausfallen können, wenn doch das ausgefahrene RAT-System aber der schlagende Beweis für den beidseitigen Ausfall ist? Das konnte ich mir selbst nicht erklären. Auf die Treibstoffschalter zu schließen, fiel aber vor einem Monat tatsächlich niemandem ein, der auf den einschlägigen Plattformen mutmaßte.

Jetzt wird über einen Dialog der Piloten berichtet, in dem ein Pilot den anderen fragt, warum die Triebwerksschalter umgelegt seien. Und der andere Pilot antwortete, dass er das nicht getan habe. Dieser Dialog ist insofern interessant, als dass beiden Piloten in diesem Moment klar sein musste, dass die Maschine abstürzen wird. Denn wenn die Triebwerke erst einmal ausgeschaltet sind, braucht es 20 bis 60 Sekunden, um sie auf volle Touren zu bringen. Dass es hier noch ein Frage-Antwort-Spiel gab, anstatt ein letztes Gebet gen Himmel zu schicken oder – im sicheren Gefühl des nahen Todes und in der Gewissheit, nichts mehr tun zu können – einfach nur zu schreien, ist verwunderlich.

Cockpit: Dialog statt Gebet.

Wie also konnte es zum Umlegen dieser wichtigen Schalter kommen? Ein Versehen kann man ausschließen. Zwar liegen die Schubhebel in der Nähe, man könnte also mit dem Unterarm die Schalter durchaus berühren, aber: Man kann sie dadurch nicht betätigen. Die Mechanik ist eine besondere. Man muss den Hebel erst herausziehen, bevor man ihn umlegen kann. Das ist so ähnlich wie beim Auto. Der Automatikhebel hat auch eine kleine Taste, die man drücken muss, damit er sich aus der Parkposition wegbewegen lässt. Safety first.

Der Verdacht, einer der beiden Piloten könnte die Treibstoffschalter absichtlich umgelegt haben, erhärtet sich somit, weil alle Indizien zusammenpassen. Es ist eh nur eine Frage der Zeit, bis wir es wissen. Die Treibstoffschalter werden von der Blackbox (dem FDR, dem Flight Data Recorder) überwacht.

Bleibt noch die Frage, ob der Bordcomputer der Boeing 787 im Moment des Steigfluges das Abschalten beider Triebwerke überhaupt hätte akzeptieren dürfen. Sie ist aber einfach zu beantworten:

The pilot is in command.

Der Pilot hat immer die letzte Entscheidungshoheit. Alles andere wäre ein Machtkonflikt zwischen Mensch und Maschine. Selbst FADEC (der Triebwerkscomputer) ist blind für die Gesamtlogik. Kommt der Abschaltbefehl, wird er ausgeführt. Der Computer für das linke Triebwerk weiß nichts über die Situation des rechten Triebwerkes. Die Flugzeugbauer haben sich für „Warnen“ statt „Eingreifen“ entschieden. Man vertraut dem Menschen stärker als der Technik.

Auf Reiseflughöhe kann man die Triebwerke durchaus abschalten, jetzt nicht unbedingt „just for fun“, aber in der Ausbildungsphase kann ich mir das vorstellen. Flugzeuge können bis zu 150km gleiten. Die Zeit reicht, um die Triebwerke wieder hochzufahren. Nach dem Abheben der Maschine war dieser Vorgang aber tödlich.

Sprechen wir also über einen 259-fachen Mord zuzüglich dem Suizid durch einen der beiden Piloten? Dieser schreckliche Gedanke rückt näher.

Das Desaster in Sekunden

Eine Minute zwischen Abheben und Tod. So schnell kann es gehen.

Was fehlt in der Übersicht? Der „Gear-up“-Befehl. Wieso blieb das Fahrwerk ausgefahren? Nach dem Abheben ist es eine der ersten Aktionen, das Fahrwerk einzufahren. Offensichtlich waren die Piloten nach dem Abheben mit anderen Dingen beschäftigt. Eine Verwechslung der Treibstoff- mit dem Fahrwerksschalter ist unmöglich. Jedem Laien wäre klar, dass es für das Fahrwerk nur einen Schalter geben darf (hier ein Hebel), es für die Turbinen aber zwei geben muss.

Interessantes Detail: Der Hinweis „Retract 270k – ,82M“ bedeutet, dass der Flieger nicht schneller als 270 Knoten fliegen darf, um sein Fahrwerk sicher einfahren zu können. Ist die Maschine schneller, trifft rohe Aerodynamik auf feinste Mechanik. Die Mechanik könnte sich „verziehen“.

Für das Ausfahren des Fahrwerkes verlässt man sich nicht allein auf das durch den Hebel betätigte hydraulische System. Es gibt rechts einen verdeckten Schalter für das Backupsystem (Alternative Gear). Fällt die Hydraulik aus, tut es – je nach Flugzeugtyp – ein elektrischer Motor. Auch „free fall“ ist möglich.

Die Luftfahrt ist eine famose Sache, aber: Was ging in dem Flieger schief?


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