29.11.2025, AfD: Gründung einer Jugendorganisation erschüttert Gießen

Mein Prompt an Chat-GPT für das obige Bild lautete: „Kreiere ein Bild, das den Kampf der Antifa gegen die AfD symbolisiert“. Ich finde das Ergebnis außerordentlich erstaunlich.

https://www.fr.de/hessen/alle-entwicklungen-im-newsticker-afd-gruendungskongress-in-giessen-94058403.html

Die „Junge Alternative“ war auf Beschluss der AfD vom Januar 2025 im März aufgelöst worden, weil sie vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextreme Bestrebung eingestuft wurde. Als eigenständiger Verein war die JA nur lose an die AfD gebunden: Mitglieder der JA mussten keine AfD-Parteimitglieder sein (mit Ausnahme der Vorstände). Dadurch hatte die Partei kaum Instrumente, Fehlverhalten oder extremistische Umtriebe innerhalb der JA zu sanktionieren.

In der AfD gab es offenbar wachsende Sorge, dass negative Vorfälle oder extremistisches Verhalten der JA die gesamte Partei diskreditieren könnten. Durch die Auflösung und Neugründung sollte künftig eine Jugendorganisation entstehen, die fest in die Parteistrukturen integriert ist – mit strengeren Kontrollmechanismen. Ein weiterer Motivationsfaktor: Als Verein wäre ein Verbot der JA durch staatliche Behörden rechtlich leichter möglich gewesen als bei der AfD selbst. Mit einer neuen Parteijugend, die formell Teil der Partei ist, erschwert man potenzielle staatliche Verbotsbemühungen. Und die Neugründung erfolgte heute.

Großdemo hielt die Polizei auf Trab.

Im Vorfeld hatten die Antifa und ihre Vorfeldorganisationen mobil gemacht. Ihr Ziel war die Verhinderung der Neugründung. Die Begründung ist immer die Gleiche: Alles Faschisten. Es interessiert sie nicht, bzw. ist es ganz in ihrem Sinne, dass sich die breite Mitte der Bevölkerung eher vor den Links-Faschisten mit ihrer Hammerbande fürchtet als vor Rechts.

Nach Angaben der Behörden waren zwischen 4.000 und 6.000 Polizisten aus 15 Bundesländern vor Ort, um die Gründungsveranstaltung und Gießen zu sichern.

„Rund 25.000 haben Zeichen gegen Rechts gesetzt.“

Die TAZ nennt es also ein „Zeichen“, wenn die Antifa die hessische Stadt Gießen belagert, weil man glaubt, gesellschaftspolitische Dinge könnten wie in der Weimarer Republik auf der Straße entschieden werden.

Die Weimarer Republik (1918 bis 1933) scheiterte übrigens an politischer Radikalisierung, wirtschaftlichen Krisen und der fehlenden Loyalität einflussreicher Eliten. Deutschland ist schon einen Schritt weiter. Denn fehlende Loyalität gegenüber unserem Land beschränkt sich nicht mehr nur auf einflussreiche Eliten, sondern zieht sich durch alle Bevölkerungsschichten. Wer würde die Linken im Bundestag ernsthaft als loyal gegenüber unserem Land bezeichnen wollen, wenn man Heidi Reichinnek im Bundestag so zuhört.

Auch ein Wesensmerkmal der Weimarer Republik war es, dass Parteien der Mitte an Rückhalt verloren. Radikale Kräfte dominierten Straßen, Parlamente und die öffentliche Debatte. Ich glaube, dass wir diesem Zustand immer näherkommen.

Blockaden, Sitzproteste, „Finger“-Demos, Antifa-Strukturen, Parteijugenden, Gewerkschaften, kirchliche Gruppen, NGOs – alles, was „gegen rechts“ mobilisierbar war, wurde in Gießen aufgefahren. Besonders aktiv: das Bündnis „Widersetzen“, das ganz offen ankündigte, man wolle die Veranstaltung physisch blockieren und möglichst verhindern. Auf WeLT wurde eine Organisatorin interviewed, die bei der Frage nach dem Ablauf der Demo unter anderem sagte, dass man ab dem frühen Morgen seine Blockaden aufbaue. Ich bin mir sicher, dass das Errichten von Blockaden einen Straftatbestand darstellt. Und sie darf das ganz offen im Fernsehen ankündigen? An so etwas dürfen wir uns nicht gewöhnen.

Aber was ist eigentlich eine Finger-Demo?

Eine Finger-Demo ist eine besondere Form der Demonstration bzw. Blockade, die vor allem in der linksautonomen Szene, bei antifa-nahen Bündnissen und bei zivilem Ungehorsam eingesetzt wird. Der Begriff stammt aus dem Aktionskonsens großer Proteste wie G20 Hamburg, Castor-Blockaden, Ende Gelände oder jetzt in Gießen. Ein Finger ist ein eigenständiger Demonstrationszug, der Teil einer größeren Gesamtaktion ist. Man teilt die Demonstranten in mehrere Gruppen ein. Jeder „Finger“ hat:

  • eine eigene Route
  • eine eigene Führung/Ordner
  • ein eigenes taktisches Ziel
  • klar definierte Aufgaben (z. B. Blockadepunkt erreichen, Polizeiketten umlaufen, Zufahrten blockieren)

Das Hauptziel ist die Überforderung der Polizei. Wenn Demonstranten in mehrere Finger aufgeteilt werden, muss die Polizei an vielen Orten gleichzeitig präsent sein. Dadurch erhöht sich die Chance, dass einige Finger Sperren umgehen und zu Blockadepunkten durchkommen. Besonders beliebt ist diese Taktik, wenn eine Veranstaltung physisch verhindert werden soll – wie anhand der Gießen-Proteste zu sehen war. Kleine Gruppen sind wendiger, können Umwege, Felder, Nebenstraßen nutzen, können sich schnell neu zusammensetzen und erschweren die Lageeinschätzungen seitens der Polizei. Eine Finger-Demo ist also ein taktischer Protest und keine Kundgebung.

Aus der Protestpraxis bekannt:

  • Roter Finger – großer, lautstarker Block
  • Goldener Finger – elastisch, beweglich
  • Silberner Finger – erfahrungsgemischter Block
  • Pink/Silver Finger – kreativ, Clowns, Performance
  • Schwarzer Finger – oft autonom, konfliktsuchend

Nicht jede Demo nutzt diese Farblogik – aber sie ist weit verbreitet. Organisatoren nutzen eigene Ordner, Funk- oder Messenger-Ketten, Scouts zur Polizeibeobachtung, spontane Richtungswechsel und Sammelpunkte. Die Antifa ist hochgradig – beinahe militärisch – organisiert. Man sieht, dass die Gründung der Jungen Alternative für die Antifa letztlich nur ein willkommener Anlass dafür war, die eigene Stärke zu zeigen. Gießen war ein willkommener Anlass, sich wieder einmal im großen Stil mit der Polizei anzulegen und Angst und Schrecken zu verbreiten. Deshalb taucht der „Finger“-Begriff oft im Kontext von militantem oder „zivilem“ Ungehorsam auf.

Hessischer Innenminister zwischen allen Fronten

Roman Poseck (CDU) stand in den letzten Tagen zwischen allen Fronten. Schon im Vorfeld sprach er von einer „herausfordernden Großlage“, auf die sich die Polizei seit Monaten „mit Hochdruck“ vorbereite – mit einem der größten Polizeieinsätze in der Geschichte Hessens. Seine Botschaft war klar – und richtete sich explizit auch an die „Aktivisten“:

„Gewalt ist in einem Rechtsstaat niemals ein legitimes Mittel. bzw. „Jeder Gewalttäter ist ein Feind unserer Demokratie, egal, ob er links oder rechts steht.“

Gegenüber der Presse stellte Poseck unmissverständlich klar, dass das Bündnis „Widersetzen“ mit seiner Selbst-Ermächtigung, die AfD-Gründung „verhindern“ zu wollen, „in einer hochproblematischen rechtlichen Parallelwelt“ lebe und im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stehe. Oder anders ausgedrückt: Wer glaubt, das eigene moralische Empfinden stehe über dem Gesetz, verabschiedet sich aus dem demokratischen Rahmen – auch dann, wenn er sich „Antifaschist“ nennt.

Friedrich Merz: „Auseinandersetzung zwischen ganz links und ganz rechts“

Der Bundeskanzler äußerte sich deutlich zu den Bildern aus Gießen. In Magdeburg sagte er mit Blick auf den Tag:

„Sie werden heute Abend Fernsehbilder aus der Stadt Gießen sehen, die alles andere als erfreulich sind – eine Auseinandersetzung zwischen ganz links und ganz rechts.“

Sein Kernpunkt: Der demokratische Konflikt soll nicht von den Rändern dominiert werden, sondern von einer „politischen Mitte, die Probleme löst“. Merz verkennt aber leider die tatsächliche Situation. „Ganz links“ hat sich in Wahrheit nicht mit „ganz rechts“ auseinandergesetzt, sondern mit ihrem Lieblingsfeind, der Polizei.

Bittere Ironie: Je mehr sich Teile der Antifa und der radikalisierten Gegendemonstranten in die Rolle der selbsternannten „Demokratie-Retter“ hineinsteigern, desto stärker polarisieren sie das Land – und spielen damit genau den Kräften in die Hände, die sie angeblich bekämpfen wollen. Während Bündnisse, Parteien und Aktivistengruppen Parolen liefern, muss aber jemand den Dreck wegtragen. Der Präsident des Polizeipräsidiums Mittelhessen, Torsten Krückemeier, sprach von Wasserwerfern, Pferdestaffeln und Hubschraubern – und betonte, dass das Überrennen polizeilicher Sperren ausschließlich gewaltsam erfolgen könne. Er verurteile Gewalt bei Versammlungen „auf das Entschiedenste“. Die Deutsche Polizeigewerkschaft erinnerte daran, dass sich die Verantwortung aller Demonstranten nicht in Hashtags erschöpfe:

„Wer sein Anliegen auf die Straße trägt, trägt damit auch Verantwortung. Auseinandersetzungen gehören in den demokratischen Diskurs, nicht auf die Straße.“

Währenddessen wurden Polizisten mit Steinen und Flaschen beworfen, ein AfD-Bundestagsabgeordneter sprach von einem tätlichen Angriff mit Verletzungen im Gesicht, Wasserwerfer mussten Blockaden räumen, Autos und Laternen wurden beschädigt.

Man kann die AfD politisch verachten – aber Polizisten, die den Versammlungsfreiheit-Artikel des Grundgesetzes durchsetzen, als legitimes Ziel zu behandeln, ist nichts anderes als ein Angriff auf genau den Rechtsstaat, auf den sich auch Antifaschisten gern berufen.

Widersetzen“ & Antifa: Zwischen Pathos und Parallelrecht

Das Bündnis „Widersetzen“ hat von Anfang an keinen Zweifel daran gelassen, dass es nicht nur um Protest, sondern um Verhinderung geht. Sprecherin Rieka Becker kündigte an, man werde „mit den Körpern Seite an Seite den Weg zur Halle versperren“ und Gießen werde die „größte antifaschistische Mobilisierung, die es in Deutschland je gab“ erleben. Ein weiterer Sprecher des Bündnisses, Suraj Mailitafi, bezeichnete die AfD-Jugend als „rechtsextreme Kaderschmiede“ und erklärte, ziviler Ungehorsam sei „Teil unserer lebendigen Demokratie“; von Gießen werde ein „Strahl der Hoffnung“ ausgehen.

Das Problem daran ist, dass jemand, der von vornherein sagt, er sei bereit, zivile Regeln zu brechen, um ein unliebsames Versammlungsvorhaben zu „verhindern“, die neutrale Ebene des Rechtsstaates verlässt. Blockaden, Sachbeschädigungen, Angriffe auf Polizei und Journalisten sind nicht zufällige Ausreißer, sondern logische Folge eines politischen Milieus, das sich moralisch über das Gesetz erhebt. Wenn dann am Ende noch eine Band auf der Bühne steht und „Danke an die Antifa für alles“ in die Menge ruft, während Polizei und Stadt noch Verletztenzahlen und Sachschäden sortieren müssen, bekommt das Wort „Zivilgesellschaft“ einen reichlich schiefen Beigeschmack.

Der DGB mit politischer Verantwortung

Der DGB Hessen-Thüringen spielte in Gießen eine zentrale Rolle. Nach eigenen Angaben versammelten sich über 20.000 Menschen bei der großen Kundgebung unter seinem Dach – offiziell als „beeindruckendes, sichtbares und zutiefst demokratisches Zeichen gegen Menschenfeindlichkeit und Spaltung“. Gleichzeitig stritt der DGB vor Gericht für das Recht, in Hör- und Sichtweite der AfD-Veranstaltung demonstrieren zu dürfen. Vorsitzender Michael Rudolph betonte, diese Präsenz sei „von zentraler Bedeutung“ und kritisierte die von der Stadt verfügten Demoverbotszonen.

Man kann das als legitimen Kampf um Versammlungsfreiheit sehen – oder fragen wie klar sich der DGB von Strukturen abgrenzt, die offen Blockaden und „zivilen Ungehorsam“ mit dem Ziel der Verhinderung einer Versammlung propagieren. Wie glaubwürdig ist es, wenn man einerseits für die Freiheit der Demonstration streitet, andererseits aber kein grundsätzliches Problem damit zu haben scheint, wenn andere Akteure genau diese Freiheit der „falschen Seite“ absprechen wollen?

Was von so einem Tag bleibt

Am Ende des Tages ist die AfD-Jugendorganisation trotz allem gegründet worden. Die Polizei hat mit massiver Präsenz dafür gesorgt, dass ein rechtlich zulässiger Parteitag stattfinden konnte. Zehntausende Menschen haben ihr Recht auf Protest wahrgenommen. Und Gießen hat einen Vorgeschmack darauf bekommen, wie sich ein politisch aufgeheiztes Land im Ernstfall anfühlt. Der Schaden für unsere Demokratie entsteht nicht dadurch, dass eine nicht verbotene Partei eine Jugendorganisation gründet. Der eigentliche Schaden entsteht an anderen Stellen, nämlich dann:

  • wenn Gruppen – egal ob „Antifa“, Parteijugend oder Bündnis – für sich ein „übergesetzliches Widerstandsrecht“ beanspruchen, um unliebsame Versammlungen zu verhindern.
  • Wenn Gewalt, Blockaden, Sachbeschädigungen und Angriffe auf Polizei und Presse relativiert oder mit schönen Worten („ziviler Ungehorsam“, „Strahl der Hoffnung“) übertüncht werden.
  • Wenn Gewerkschaften, Parteien und NGOs zwar gern im Licht der großen Bilder stehen, aber beim Thema Abgrenzung zur Militanz plötzlich sehr leise werden.
  • Wenn der Eindruck entsteht, dass „richtige“ Gesinnung wichtiger ist als gleiche Rechte für alle, solange man die „falschen“ politischen Gegner trifft.

Eine Demokratie beweist ihre Stärke nicht daran, wie laut sie gegen unliebsame Parteien ruft, sondern daran, ob sie es aushält, dass auch diese Parteien – solange sie nicht verboten sind – ihre Rechte wahrnehmen können: Parteien gründen, Jugendorganisationen aufbauen, Veranstaltungen durchführen, sich der öffentlichen Kritik stellen. Wer meint, man dürfe der AfD diese Rechte mit Gewalt, Blockaden und Einschüchterung nehmen, kämpft nicht für, sondern gegen die Demokratie.

Übrigens war ich so erstaunt über das obige, ki-generierte Bild, dass ich den Prompt wie folgt veränderte: „Kreiere ein Bild, das den Kampf der AfD gegen die Antifa symbolisiert.“ Das zweite Bild hat auf mich aber die gleiche Wirkung:

Heutiger Lesetipp für Freunde tiefgründiger Satire: https://www.mmnews.de/wirtschaft/242295-mmnews-verleiht-den-truemmerfrau-ehrenpreis-2025


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