
Wie doch alle Parteien und Vereine ihre eigene Gastwirtschaft für sich entdeckt haben. Die SPD geht in die Post, die UWG ins Vitusstüberl, die Grünen ins Epocq, und die CSU zum Maier nach Teising. Wie angekündigt, konnte ich mich nicht zerteilen und muss mich auf Informationen aus zweiter Hand verlassen. Mea culpa, wenn die Informationen nicht 100%ig korrekt sind. Stille Post: an.
Kathrin Horbach als Ortsvorsitzende der Ortsgruppe Neumarkt-Sankt Veit kam nach ganz kurzen einleitenden Worten direkt zum Punkt: Wahl eines Bürgermeisterkandidaten.
Thomas Döring begrüßte zunächst Neumarkts OV und blickte dann zurück auf die Anfänge des grünen Ortsverbandes vor sechs Jahren, als Florian Berger die Idee hatte, eine grüne Liste zu initiieren. Döring fand die Zeit im Stadtrat sehr spannend und sah das auch als Voraussetzung für seine jetzige Kandidatur. Während der Corona-Zeit wären die Stadtratssitzungen im Bahnhof und im Herzoglichen Kasten recht komisch gewesen.
Richtig zu Hause nur im Sitzungssaal im Rathaus
Kristin Martl-Hassan vom Kreisverband ergriff anschließend das Wort und freute sich ebenfalls über die Gründung des Ortsverbandes und über die Liste. Es sei ganz wichtig, dass grüne Ideen in die Politik kämen. Man habe einen Rechtsrutsch, Klima spiele anscheinend keine Rolle mehr, einen ÖPNV gäbe es nicht, und die Leute kämen nicht von A nach B.
Anschließend schritten die elf anwesenden Stimmberechtigten zur Wahl des Bürgermeisterkandidaten. Im vollen Selbstvertrauen, dass das mit der Wahl schon klappen wird, wurde das Gruppenfoto direkt vor den eigentlichen Abstimmungen angefertigt. Thomas Döring (54) nutzte noch einmal die Gelegenheit, sich vorzustellen. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder, 18 und 14, die gestern auch dabei waren und sei fest mit Neumarkt-Sankt Veit verwurzelt, wenngleich er auch in Niederbayern geboren sei und die erste Zeit dort gelebt hat. Anmerkung: Diesen Fauxpas können wir verkraften. Immerhin gibt es noch mehr Zuagroaste.
Er studierte Druckereitechnik und war immer selbständig unterwegs. Vor 1,5 Jahren hätte sich dann die Gelegenheit ergeben, als Serviceberater bei einem Neumarkter Autohaus zu starten. Als BMW-Fahrer weiß ich zufällig, von welchem Autohaus er spricht.
Privat sei er im TSV und beim EC Schpana aktiv gewesen. Bei den Schpana-Festen sei er immer noch beteiligt. Er sei auch bei der Feuerwehr aktiv. Er sei von vielen Neumarktern mit der Frage angesprochen worden, ob er nicht Bürgermeister werden will. Daraufhin habe er begonnen, ernsthaft darüber nachzudenken. Er sei nun für diese Arbeit bereit, mit Herz, Verstand und Leidenschaft. Er betonte, dass er ein Fan der Kommunikation sei und unterstütze die Digitalisierung. Die Kommunikation per Mail sei aus seiner Sicht veraltet. Er sei ein Fan von Whatsapp.
Whatsapp als Kommunikationsmittel für Stadträte
Hier muss ich kurz einhaken, denn die Kommunikation mit Whatsapp – anstatt per Mail – erfordert eine hohe Disziplin und die Einhaltung von Regeln. Bei meiner Fußballmannschaft (A-Jugend) klappt das wunderbar. Andernfalls endet man mit Whatsapp im Chaos. In meiner Firma wäre Whatsapp undenkbar. Jetzt ist zwar Neumarkt-Sankt Veit (mit seinem Stadtrat) etwas anderes als eine Firma. Aber strukturierter arbeiten kann ich tatsächlich mit Outlook als Haupteinfallstor für alle Themen.
Döring weiter: Es ginge da auch um Transparenz, einen Begriff, den jeder Kandidat auf seiner Liste haben dürfte. Da müsse man ein wenig dran arbeiten. Anmerkung meinerseits: Da muss man sogar sehr stark daran arbeiten. Es ist aber egal, wer Bürgermeister werden wird. Ich habe keinen Zweifel, dass diesbezüglich die Dinge in die richtige Richtung gedreht werden.
Er sprach auch die spärliche Zuschaueranzahl bei Stadtratssitzungen an. Anmerkung: Als jemand, der den Stadtratssitzungen ab und an beiwohnt, kann ich das unterstreichen. Die Atmosphäre muss sich dringend ändern. Es muss wieder Spaß machen, zu einer Stadtratssitzung zu gehen. Aber auch da habe ich keinen Zweifel, dass sich das zum Positiven ändern wird.
JUVO ist noch immer nicht vom Tisch
Thomas Döring brachte Live-Schaltungen bei den Sitzungen ins Spiel. Auch müsse man die Jugend gewinnen, vielleicht mit einem Jugendparlament oder mit einem Jugendausschuss. Anmerkung: In Neumarkt ist vom Stadtrat ja sogar der hochwichtige Jugendpfleger vor Ort abgelehnt worden. Und tatsächlich sprach Döring das Thema JUVO an. Ein Jugendtreff sei sehr wichtig. Pläne gäbe es schon, Stichpunkt: Thalerschmiede. Das Herrichten koste aber Geld, viel Geld. Anmerkung: Ja, Leute, wozu befindet sich denn das Haus im Besitz der Stadt, wenn es offenbar keine Selbstverständlichkeit ist, damit auch etwas zu tun? Stichwort: Eigentum verpflichtet.
Dann würde er auch gerne einmal etwas Positives sagen. Es würde zu viel gejammert, wie schlecht alles sei. Neumarkt sei aber eine wunderschöne Stadt. Anmerkung von mir: Einspruch. Baufällige Gebäude, Leerstände und viele Schmutzecken sowie Grafiti trüben diesen Eindruck. Döring sprach sogar davon, dass es idyllisch sei. Die Stadtplatzsanierung sei zwar teuer gewesen, aber der Stadtplatz sei schön. Anmerkung: Definiere „teuer“. Hätte ich nachgefragt, wie teuer die Stadtplatzsanierung war/ist, hätte er die Frage ganz sicher nicht beantworten können, zumal ja Rechtsstreitigkeiten noch am Laufen sind.
Natürlich hätte Neumarkt Probleme, aber es gebe durch den Bahnhof eine tolle Anbindung.
ÖPNV in der Fläche ein heikles Thema
Das Thema Finanzen würde auch in den nächsten Jahren alles überragen. Träume seien schön, müssten aber finanziert werden. Er denke an einen Masterplan, z.B. um die Wirtschaft zu stärken. Wenn man das denn wolle, müsse man aber neue Industrie- bzw. Gewerbegebiete ausweisen. Solche Pläne würden aber erst in fünf bis zehn Jahren wirken. Dennoch müsse man loslegen.
Bei den erneuerbaren Energien stehe man gut da. PV-mäßig sei man gut unterwegs. Mit der Biogasanlage habe man ein kleines Wärmenetz, was aber ausgereizt und nicht mehr erweiterbar sei. Bei Geothermie sei Döring sofort dabei. Neumarkt sitze quasi auf Wasser. Haken an der Geschichte seien die Kosten von mindestens 15 Millionen Euro. Man habe immerhin das Landkreiswerk, das sich mit solchen Themen beschäftigen wird. Bei Windkraftanlagen sei er hin- und hergerissen, vor allem bei der Platzierung von Windkraftanlagen mitten im Wald.
Er wiederholte noch einmal, dass er das Amt mit Herz, Verstand und Leidenschaft ausführen würde. Ein Lenkrad brauche er dafür nicht. Er sei ein Neumarkter in allen Farben: Rot, Grün, Blau, Schwarz. Das sei sein Motto, unter dem er antreten möchte.
Thomas Döring wurde einstimmig gewählt und nahm die Wahl natürlich an. Dann kam es zur zweiten Wahl, die der Stadtratskandidaten.
Die Grünen-Liste
- 01. Tina Winterer
- 02. Thomas Döring
- 03. Kathrin Horbach
- 04. Andreas Massari
- 05. Marion Langrieger
- 06. Alina Massari
- 07. Kathrin Brendel
- 08. Paul Sänger
- 09. Anna Koller
Warum wurde Thomas Döring als Bürgermeisterkandidat nicht auf Platz 1 gesetzt? Nun, das liegt wohl an der Satzung der Grünen, mit der Frauen leicht bevorzugt werden. Paul Sänger hätte ich sehr gern weiter oben in der Liste gesehen, doch nur Gott weiß, wie das Ranking zustande kam.
Schauen wir uns insbesondere die Vorstellung der 36-jährigen Tina Winterer an, die seit sechs Jahren mit ihrer Ehepartnerin in Neumarkt wohnt. Vor ein paar Wochen habe die Familie Zuwachs bekommen, weil ein Pflegekind einziehen durfte. Sie erzählte über ihren Alltag als Försterin, Waldpädagogin und ihr Ehrenamt beim Bund Naturschutz. Sie kandidiere für den Stadtrat, weil unsere Stadt die Herausforderungen der nächsten Jahre nur mit nachhaltigen Entscheidungen bewerkstelligen könne.
Nachhaltige Entscheidungen als Ansporn.
Nur mit Nachhaltigkeit könne man eine enkeltaugliche Zukunft auf die Beine stellen. Entscheidungen heute beeinflussten das Leben der Kinder und Enkelkinder. Nachhaltigkeit sei für sie eine Verpflichtung und kein Modewort. Die zukünftigen Generationen sollten die gleichen Möglichkeiten und Freiheiten wie wir haben. Wir dürften nicht auf Kosten der nächsten Generationen leben. Mobilität und Energie seien etwas anders zu denken. Bildung und Raum seien zu schaffen, für Spiel und Kreativität. Grünflächen seien zu fördern, die Versiegelung zu reduzieren. Solide Finanzen gehörten auch zur Nachhaltigkeit, die sozial sein müsse. Jede Investition muss unter der Prämisse stehen, dass die Lebensqualität der Neumarkter steigt.
Thomas Döring betonte anschließend, dass alle Listenmitglieder von sich aus gekommen seien. Niemand hätte gebettelt werden müssen. Das sei bei anderen Parteien und Gruppierungen durchaus anders. Grüne Themen würden abgedeckt, weil echte Experten an Bord seien. Er freue sich über diese Liste.
Die anderen Bewerbungsreden fasse ich kurz zusammen. Auffallend ist, dass fast alle Bewerber erst eine kurze Zeit in NSV sind. Das bedeutet aus meiner Sicht, dass diese Personen mit einem echten Veränderungswillen antreten. Auch waren unter den Bewerbern keine typischen Geschäftsleute.
Novum: Mehrfachnennungen auf der Liste
Bei der Wahl zeigte sich wiederum eine neue Logik. Die Stadtratsliste besteht, wie wir wissen, aus 20 Plätzen. Weil die Grünen „nur“ neun Kandidaten haben, füllen sie die Liste durch Mehrfachnennungen auf. Alle Namen von Pos. 1 bis 9 tauchen auf Platz 10 bis Platz 18 erneut auf. Auf Platz 19 und 20 erschienen wiederum Tina Winterer und Thomas Döring.
Wenn wir also zur Kommunalwahl in die Wahlkabine gehen und uns die Listen anschauen, dann werden wir den Namen Tina Winterer und Thomas Döring auf der Liste dreimal sehen, die anderen zweimal. Und das ist dann nicht etwa ein Lapsus der Druckerei. Das ist gewollt.
Ich habe schon beim gestrigen Blog darüber philosophiert, dass es den Parteien und Vereinen sehr wichtig ist, alle 20 Listenpositionen zu besetzen. Und das ist im Hinblick auf Listenwähler wichtig.
Wenn ein SPD-Anhänger im März die SPD-Liste mit fünf Kandidaten mit einem einzigen Listenkreuz wählt, dann werden der SPD genau fünf Stimmen zugerechnet.
Wählt ein Anhänger der Grünen die Grünen-Liste mit einem einzigen Listenkreuz, dann bringt das den Grünen 20 Stimmen ein. Unterschied klar?
Die Grünen rechnen somit – anders als die SPD – mit einer relevanten Anzahl von Listenwählern. Und selbst wenn ein SPD-Anhänger bei jedem der fünf Kandidaten drei Kreuzchen macht, dann verschafft das der SPD auch „nur“ 15 Stimmen, während die Grünen durch den einen Wähler schon bei 20 Stimmen sind.
Mit den Zweifach- und Dreifachnennungen auf der Liste – da bin ich mir noch nicht 100%ig sicher, obwohl die drei Wahlprozeduren für die Plätze 1-9/10-18 und Platz 19-20 eindeutig waren. Unter Umständen läuft es stattdessen auf “größere” Felder hinaus. Diese Unsicherheit muss noch geklärt werden. Wer kennt die finale Lösung?
Fazit nach drei Nominierungsveranstaltungen
- Die Zeiten, in denen die Stadträte zu zwei Dritteln aus alteingesessenen Geschäftsleuten besteht, scheint zu Ende zu gehen.
- Das Durchschnittsalter der Stadträte dürfte in der nächsten Stadtratsperiode sinken.
- Im neuen Stadtrat wird ein völlig neuer Arbeitsgeist Einzug halten.
- Die Logik, dass es auf jedem Friedhof in Bayern früh um 0400 lustiger zugeht als bei einer Neumarkter Stadtratssitzung, wird umgedreht. Ursächlich für die momentane Situation sind aber nicht die 20 Stadträte – das möchte ich noch hinzufügen.
- Es kommt im Stadtrat zu einem Paradigmenwechsel
- Ich bin mir sicher, dass sich die Fronten auflösen werden.
- Die typischen 18:2-Abstimmungen (immer gegen die SPD) wird es in dieser Form nicht mehr geben.
Freuen wir uns ab sofort auf die Nominierungsveranstaltung der CSU am nächsten Montag um 1930 im Gasthaus Maier in Teising.
Stay tuned.
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