Sonntag, 19. Oktober 2025, Klimapolitik, Hamburg: Volksentscheid

Der Kurze Olaf, der Elbtower Hamburgs

Am 12. Oktober 2025 hat sich die Stadt Hamburg mehrheitlich dafür ausgesprochen, ihre Klimaneutralität fünf Jahre früher anzusetzen – nämlich bereits im Jahr 2040 statt 2045. Was harmlos wie ein grüner Fortschritt klingt, ist in Wahrheit eine gewaltige Bremse – für die Hamburger Wirtschaft, für diejenigen, die dort arbeiten, und womöglich für Hamburgs Position im Länderfinanzausgleich.

Was beschlossen wurde

Der Volksentscheid verpflichtet die Hansestadt dazu, ab 2026 einen verbindlichen CO₂-Minderungs-Pfad einzuhalten mit jährlichen Obergrenzen. Unter anderem vorgesehen:

  • Austausch aller Öl- und Gaskessel.
  • Vollständige Umstellung der Industrie (z. B. Brenn- und Treibstoffe) auf Wasserstoff und E-Fuels.
  • Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit
  • massive Verkehrs- und Gebäudestandards
  • Zahlreiche Sofortmaßnahmen bei Zielverfehlung

Kurz: Hamburg nimmt sich ein Ziel vor, das bislang wenigen Städten in Deutschland abverlangt wird. Ein Leuchtturm, wenn alles klappt. Eine Falle, wenn nicht.

Was die Auswirkungen für die Hamburger Industrie – Hafen, Flughafen, Schwerindustrie – sind

Von Symbolpolitik darf man hier nicht sprechen, denn weil die Umsetzung ambitioniert ist, wird’s teuer und hektisch. Die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) verfolgt bereits das Ziel, bis 2040 klimaneutral zu werden. Doch die neue Gesetzgebung bedeutet: Schwerlast-Terminalgeräte, Schiffsmotoren, Hafenlogistik, Umschlagterminals – alles steht auf dem Prüfstand. Elektrifizierung oder Umstieg auf Wasserstofftechnik. Die Kosten sind so hoch, dass Umschlagzeiten, Wettbewerbsfähigkeit oder Logistikketten ins Zittern kommen könnten. Rotterdam mit seinem Hafen jubelt bereits und lässt die Sektkorken knallen. Man könnte fast annehmen, die Holländer hätten den Grünen in Hamburg ein nettes Sümmchen in die Hand gedrückt, damit diese einen Volksentscheid lostreten.

„Industrie- und Logistikketten … könnten bei unbedachten Schnellschüssen beeinträchtigt werden.“

Wenn der Hamburger Hafen seinen Standortnachteil gegenüber Rotterdam, Antwerpen oder anderen europäischen Häfen verspürt – dann wird er leiden. Denn erhöhte Kosten, technische Hürden, neue Auflagen – all das kann Unternehmen abschrecken. Und wenn Umschlagmengen sinken, Arbeitsplätze schwanken, dann ist der Standort ernsthaft gefährdet.

Flughafen & Verkehr

Die Flughafen Hamburg GmbH und damit die Luftfracht- sowie Passagierlogistik wird mit Verkehrs- und Mobilitätszwängen leben müssen. Reduzierung von Privatautos, stärkere Lenkung des Verkehrs, Tempo 30 etc. Für Fracht- und Logistikfirmen aber: Wenn Straße, Schiene, Luftverkehr teurer oder regulierter wird, steigen die Kosten – und Hamburg steht als Verkehrsknotenpunkt unter Druck.

Schwerindustrie & Energieversorgung

Industriebetriebe, Raffinerien, Großverbraucher von Treib- und Brennstoffen – alles muss umgebaut werden. Wird das Gasnetz zurückgefahren, und werden Öl- und Gaskessel ersetzt ist ökologisch begründbar. Aber finanziell und wirtschaftlich ist es riskant: Investitionen, die unter Druck kommen, wenn Wettbewerber in weniger regulierten Regionen arbeiten. Ein Gutachten schätzt die Sanierungskosten für den Gebäudebestand allein auf mindestens 40 Mrd. Euro. Wenn diese Kosten an Betriebe weitergegeben oder – noch schlimmer – Firmen ihren Standort verlagern, verliert Hamburg am Ende mehr als man gewinnt.

Länderfinanzausgleich: Wird Hamburg von einem Geber- zu einen Nehmerland?

Hier wird’s politisch pikant: Beim Länderfinanzausgleich (LFA) ist Hamburg bislang ein Geberland – d.h., es trägt mit seinen Steuer- und Wirtschaftskraftüberschüssen zum Ausgleich innerhalb Deutschlands bei. Was könnten die Folgen sein?

  • Wenn Hamburgs Wirtschaftskraft durch die Klimazielvorgabe sinkt (z. B. durch Unternehmensverlagerung, schrumpfende Logistikumschläge, hohe Umbaukosten), sinken die Steuer-Einnahmen.
  • Wegbrechende Einnahmen sorgen dafür, dass Hamburg vom Geberland zum Nehmerland wird. Bayern muss sich mit seinen Bemühungen beeilen, den Länderfinanzausgleich abzuschaffen.

Belege bestehen für eine formale Veränderung im LFA-Status – Hamburg ist (noch) Geberland – bestehen nicht. Aber: Die kombinierte Wirkung von ambitioniertem Klimaziel mit absichtlich verursachten hohen Kosten und belasteten Betrieben führt zu absichtlicher Armut, was gegen den Geist des Länderfinanzausgleiches verstößt. Bayern hat keine schlechten Karten, den LFA in Frage zu stellen.

Wer profitiert – und wer zahlt

Die Gewinner sind Klimaaktivisten, städtische Milieus mit Wohlstand, öffentliche Dienstleister, Dienstleistungssektoren und Start-ups im grünen Bereich. Das Prestige-Projekt Hamburg soll Wegbereiter spielen.

Zahler sind Mittel- und Großbetriebe in Industrie, Logistik, Hafen, Flughafen, Verkehr – sie tragen Umbaukosten, Technik-Risiken, Wettbewerbseinbußen. Verlierer sind Steuerzahler und Mieter. Wenn Sanierungskosten z. B. auf Wohnhäuser durchschlagen, steigen Mieten und Belastung für Haushalte. Hamburg müsste die Verluste der Verlierer irgendwie durch Steuern finanzieren. Aber woher nehmen, wenn man die Steuern vorher hat absichtlich einbrechen lassen.

Fazit – schillerndes Ziel, schmerzliche Realität

Ja: Das Ziel „Klimaneutralität 2040 in Hamburg“ klingt gut. Aber: Es ist kein Spaziergang. Für eine Hansestadt mit starkem Hafen, Industrie- und Logistikprofil bedeutet das: Umbau unter Zeitdruck, massive Investitionen, Risiko von Standortnachteil.

Und politisch: Wenn Hamburgs Wirtschaftskraft dämpft, wenn Unternehmen abwandern oder Investitionen anderswo erfolgen, dann kann der Dominoeffekt greifen – Steuerkraft sinkt, Finanzausgleichsbeiträge sinken, Hamburgs Status als starker Geber schwächelt.

Wer jetzt jubelt: Vorsicht. Wer warnt: Gut so. Ich tendiere zur Warnung. Die Grünen haben Hamburg als größte Industriestadt Deutschlands in eine Falle tappen lassen.

Untergangspropheten und Dauerpessimisten wie ich finden den Volksentscheid in Hamburg super. Man muss nicht ganz Deutschland deindustrialisieren. Wir opfern einfach den bisher industriell erfolgreichen Stadtstaat Hamburg. Wenn Hamburg 2030 geistig und finanziell am Ende ist, erkennt Rest-Deutschland dann hoffentlich, wohin uns de links-rot-grüne Komplex führt. Vielleicht sind wir dann geheilt.

„Alleine werden wir das nicht packen.“

Doch, liebe Katharina Fegebank, Sie als Zweite Bürgermeisterin müssen es alleine packen. Sie haben es so gewollt, Sie und Ihre Bubble haben ganz allein genauso abgestimmt. Andererseits habe ich meine mathematischen Probleme mit dem Abstimmungsergebnis:

  • Einwohneranzahl Hamburg: ca. 1.862.565
  • Wahlberechtigte: ca. 1.312.260 Personen
  • Beteiligung: ca. 571.431 gültige Stimmen
  • Prozentuale Beteiligung: 43,7%
  • „Ja“-Stimmen: 303.936
  • „Ja“-Stimmen als Anteil der Wahlberechtigten: etwa 23,2 %

Proaktiv haben gerade einmal 16,3% aller Hamburger für den eigenen Untergang gestimmt. Reicht das aus, um mit gutem Gewissen einen solchen Selbstvernichtungskurs einzuschlagen? Nein.

Hat es Sinn, die Klimaneutralität im Sinne des Weltklimas durchzusetzen, wenn man am weltweiten CO2-Ausstoß mit grade einmal 0,001% beteiligt ist? Nein.

Sozi und Erster Bürgermeister von Hamburg Peter Tschentscher hat in seiner Ratlosigkeit schon einmal bekanntgegeben, dass sich mit dem Volksentscheid ja überhaupt nichts Konkretes verbinde. Das ist der erste zarte Versuch, die Industrie zu besänftigen. Ist doch alles nicht so ernstgemeint.


Entdecken Sie mehr von Michael Behrens

Melden Sie sich für ein Abonnement an, um die neuesten Beiträge per E-Mail zu erhalten.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen

Entdecken Sie mehr von Michael Behrens

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen