Mittwoch, 08. Oktober 2025, Politik, Justizministerin Stefanie Hubig: Internet wird mit Kinderpornografie geflutet.

https://www.deutschlandfunk.de/hubig-will-bald-gesetzentwurf-fuer-speicherung-von-ip-adressen-vorlegen-108.html

Die Meldung ist recht knapp verfasst. Richtige Hintergründe bzw. Statistiken oder Einschätzungen zum Thema gibt es nicht. Meines Erachtens darf man Schritt 5 nicht vor Schritt 1 erledigen. Zunächst müsste man die Situation bewerten. Im Falle meiner Nutzung des Internets werde ich ganz und gar nicht mit diesem Abschaum „geflutet“. Ich bin auch nicht etwa beim Googeln aus Versehen auf solche Inhalte gestoßen. Ich wüsste auch nicht, dass mir so ein Zeug jemals in die Timelines meiner Sozialen Plattformen gespült worden wäre. Insofern halte ich diese „Flutung“ für überzeichnet. Der Begriff lenkt von einem statistisch viel stärkeren Problem ab: Der häuslichen Gewalt gegen Kinder. Fachverbände wie Kinderschutzbund und „Innocence in Danger“ kommen auf etwa 200.000 Fälle, psychische Gewalt inbegriffen..

Dagegen wurden laut PKS im Jahr 2023 in Deutschland 48.600 Fälle des §184b StGB (Verbreitung, Erwerb oder Besitz kinderpornografischer Inhalte) registriert. Das klingt auch erschreckend hoch, doch sind darin auch Besitzdelikte enthalten, z.B. die Weiterleitung in Chats durch Jugendliche selbst, ohne Bewusstsein über Strafbarkeit. Viele Fälle betreffen keinen realen Missbrauch, sondern die Verbreitung existierenden Materials. Damit ist die Zahl der echten Missbrauchsopfer deutlich kleiner als die Fallzahl der Ermittlungen – zumindest auf deutschem Staatsgebiet.

Etwa 50% des kinderpornografischen Materials kommen aus dem Ausland. Das Pendel zwischen häuslicher Gewalt und kinderpornografischer Gewalt schlägt in Deutschland eindeutig in Richtung häuslicher Gewalt aus.

Was also tun wir gegen 200.000 Fälle häuslicher Gewalt gegen Kinder? Wenn sich die deutsche Justizminister Stefanie Hubig im gleichen Atemzug mit ihrem IP-Adress-Speicherungsprojekt auch um dieses Thema kümmert, hat sie meinen Segen.

Der bessere Schritt wäre es, zunächst dass Telemediengesetz (TMG, § 13 Abs. 6 a. F.) zu ändern, das im Moment folgendes festlegt:

„Der Diensteanbieter hat die Nutzung von Telemedien und deren Bezahlung anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist.“

Was hat sich der Gesetzgeber dabei gedacht, als er diesen Satz erfand? Er argumentiert mit dem hohen Gut der Meinungsfreiheit und erlaubt das anonyme Auftreten im Internet. Aber wo ist das Problem? Meinungsfreiheit kann ich auch mit meinem Klarnamen praktizieren. Voraussetzung ist aber das Vertrauen, dass sich der Staat benimmt und Meinungsfreiheit nicht fehlinterpretiert und mit Hass, Hetze und Volksverhetzung verwechselt.

Menschen, die verschwörungstheoretisch unterwegs sind, wittern beim Thema IP-Adressen-Speicherung den Überwachungsstaat. Kinderpornografie sei nur das Scheinargument für den Versuch, die sozialen Medien EU-weit zu kontrollieren und unliebsame Meinungen auszuschalten. Wir sprechen über solche Kandidaten, die gleich komplett schwarzsehen:

Das Argument, wer nichts Verbotenes tut, muss sich vor einer verstärkten Überwachung nicht fürchten, gerät ob der beinahe unbegrenzten technischen Möglichkeiten, die der Staat nutzen möchten, ein wenig ins Wackeln.

Angesichts von hybridem Krieg, Terrorismus und steigenden Zahlen bei Straftaten werden wir wohl aber in den sauren Apfel einer stärkeren Überwachung beißen müssen.

Ich bleibe dabei: Die Sozialen Medien sind nicht mehr wegzudenken, aber die Fake-Accounts müssen verschwinden. Anmeldung nur ab 16 Jahren und dies gesichert mit der Ausweisapp2, basta. Mit Usern, die ausschließlich unter Klarnamen posten, wird sich das völlig wildgewordene X beruhigen.

IP-Adressen-Speicherung kann der Staat von mir aus machen. Wenn man damit die Kinderpornografie in den Griff bekommt, dann soll es so sein. Der Rechtsstaat muss aber wachsam sein und den Appetit der Politik, exzessiv Daten über uns zu sammeln, zügeln.


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