
Ganz unabsichtlich schaltete ich den Fernseher gestern Abend auf 3Sat, war von der sich mir bietenden Szenerie schlagartig gefesselt und dachte mir: Was geht denn hier ab?
Mir bot sich eine Mischung aus Volksfest, Military Tattoo aus Edinburgh, klassischem Konzert und einer Feier zum Independence Day.
Nach dem sich meine Sprachlosigkeit gelegt hatte und ich auch meine Denkblockade durchbrochen hatte, dachte ich mir: In wenigen Sekunden wird André Rieu ans Dirigentenpult treten.
Mit fortschreitender Zeit wurde das Bild ein wenig klarer. Ich machte mir zunächst Gedanken über den Namen: Last Night of the Proms. Weil beim Einschalten gerade eine Trompeterin loslegte, von der gesagt wurde, es sei ihr letztes Konzert, dachte ich für einen Moment, dass da alternde Stars ihre letzten Konzerte geben. Das fand ich dann aber irgendwie unlogisch. Viel mehr ist es so, dass das Konzert den Abschluss einer achtwöchigen Konzertreihe bildet.
Das Abschlussfest stieg in der Royal Albert Hall in London, einer Konzerthalle in Form eines mächtigen Domes, den Queen Victoria 1871 einweihte. Das von der BBC veranstaltete Event gibt es bereits seit 1941 und findet einmal im Jahr statt. Man bringt den etwa 5.300 Zuschauern im Saal und den Fernsehzuschauern aus 40 Ländern die besten Klassiker zu Gehör. Alles Ohrwürmer, unter anderem “Typewriter” mit Bill Bailey.
Die Stimmung im Saal war unglaublich. Bei “Rule, Britannia” der englischen Nationalhymne und dem Lied der Schotten herrschte Gänsehautatmosphäre. Das Event ist ein legendäres Ritual. Der Sinn der Erfinder war, die Distanz zwischen Hochkultur und einfachem Volk abzubauen. Mit dieser Veranstaltung gelingt das meisterhaft. Dabei schaffen es die Briten, sich selbst todernst und gleichzeitig in einzigartigerweise und karnevalistisch auf die Schippe nehmen. Ironischer Patriotismus und britischer Pathos laufen hier synchron. Bei Eward Elgars “Pomp and Circumstance” verwandelt sich die Halle in ein Tollhaus. Das ist so erstaunlich, dass man neidisch werden könnte.
Auch wenn England wegen seiner unaufhaltsamen Islamisierung verloren scheint, geben mir solche Veranstaltungen Hoffnung.
Wie konnte ich eigentlich so eine legendäre Veranstaltung nicht kennen, die auf einer Ebene mit dem Wiener Opernball anzusiedeln ist? Hier tut sich ein weiterer Fernsehpflichttermin auf. Siri: Bitte einen Kalendereintrag im Outlook generieren mit Datum 12.09.2026 mit 3sat als Text.
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Klassischer Fall von False Friends. Der Deutsche denkt erst mal an „Promis“.
Britannien Fans wie Ich wissen natürlich daß es die letzte Nacht der Promenaden Konzerte ist.
Ist aber auch nicht schlimm, wenn man es nicht weiß 😉
Man könnte natürlich auch aus dem Fernsehpflichttermin einen Kurztrip nach London machen.