
Wie immer wollte ich eine Nachbetrachtung des Falles anstreben, der aber so gar nicht zur Ruhe kommt. Aus den Top Four der Grünen (Banaszak, Haßelmann, Dröge und Brantner ist mittlerweile ein Fünferpack geworden. Hinzugesellt hat sich der SPD-Fraktionschef Matthias Miersch, der im SZ-Interview (hinter der Bezahlschranke) folgenden Satz gesagt hat:
„Wenn der rechte Mob damit durchkommt, machen wir einen Riesenfehler“
Gemeint sind all Diejenigen, die eine Linksaktivistin nicht als Richterin im Bundesverfassungsgericht sehen wollen. Im Bundestag war das leider eine kleine Minderheit unter den CDU/CSU-Abgeordneten. Sie reichte aber aus, um die Wahl am 11. Juli von der Tagesordnung zu nehmen. Das SZ-Interview gefällt mir nicht. Miersch wird mit keinem einzigen Zitat von Brosius-Gersdorf konfrontiert. Für Miersch war das ein Wohlfühl-Interview.
Warum werden durch den Komplex Teile des Journalismus so scharf kritisiert? Die Kandidatin hat mir ihren Positionen die Vorlage geliefert. Einige Online-Plattformen nehmen die Vorlage an und verwandeln eiskalt. Kein Grund zur Aufregung. Das nennt sich Pressefreiheit.
Abgesetzte Richterwahl im Bundestag
Sicherlich war es ein Fehler der Organisatoren, einfach ohne jede Aussprache zur Wahl schreiten zu wollen. Die 2/3-Mehrheit der abgegebenen Stimmen bzw. die notwendige Mehrheit im Bundestag (316 Stimmen) wäre verfehlt worden. Die Absetzung von der Tagesordnung hatte aber den gleichen Effekt, wie es ein Wahlgang gehabt hätte, bei dem die Linksaktivistin Frauke Brosius-Gersdorf durchgefallen wäre. Dabei können sich alle CDU/CSU-Abgeordneten doch auf die Schulter klopfen. Denn wenn der links-rot-grüne Komplex in den Dauerempörungsmodus verfällt, darf sich die klein Schar konservativer Abgeordneter sicher sein, alles richtig gemacht zu haben.
Links oder nicht Links – das ist hier die Frage
Kommen wir aber zum Kern der Sache. Warum ist die Kandidatin Brosius-Gersdorf für den 12-Jahres-Job als Richterin am Bundesverfassungsgericht völlig ungeeignet? Sie selbst hält es für diffamierend und realitätsfern, als „linksradikal“ oder „ultralinks“ bezeichnet zu werden. Und überhaut sei die ganze Berichterstattung unsachlich, unvollständig, unzutreffend und intransparent. Alles sei falsch dargestellt worden. Ihre Haltung zum Kopftuchverbot, zu Paritätsmodellen für die Wahl des Bundestages und zur Legalisierung und einer Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs bis zur Geburt – alles verunglimpfend dargestellt. Ihre Arbeit zeige, dass sie der demokratischen Mitte zuzuordnen sei. So liest man es in der „Die Zeit„.
Die Zeit macht sich aber nicht die Mühe, zu recherchieren, was sie in den letzten Jahren so gesagt und geschrieben hat. Wir machen uns aber überaus gern die Arbeit, ihre Zitate herauszusuchen.
„Meines Erachtens gibt es gute Gründe dafür, dass die Menschenwürdegarantie erst ab Geburt gilt.“
Diese Aussage ist bei Wikipedia verbrieft. Man könnte hier schon aufhören zu schreiben, indem man sie als ungeeignet abstempelt und das Buch zuklappt. Ich denke an die unfassbare Entwicklung in der „DDR“, die legale Abtreibung im Jahre 1970 einführte. Die Abtreibungen entwickelten sich von der Ausnahme zur Routine. Zwischen 1972 und 1986 kamen laut mdr.de auf 100 Lebendgeburten 47 Abtreibungen. Das war jede dritte Schwangerschaft. Der reinste Wahnsinn, der geschieht, wenn man ungeborenem Leben die Menschenwürdegarantie abspricht.
Aber sie legt nach (siehe wiederum Wikipedia):
„Die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach der ein Embryo jedenfalls ab Nidation Menschenwürde hat („Wo menschliches Leben existiert, kommt ihm Menschenwürde zu“), lehnt sie als naturalistischen Fehlschluss ab.„
Jemand möchte sich ins Bundesverfassungsgericht wählen lassen und lehnt die ständige Rechtsprechung des BVG ab? Lustiger wird es heute nicht mehr. Wiederum könnten wir das Buch schließen, aber wir wissen uns ja zu steigern. Hier ihr heutiger Rundumschlag rund um die Berichterstattung über ihre Person:
„Inakzeptabel ist auch die Berufung auf anonyme Quellen, zumal, wenn es sich bei dieser Quelle um eine Justizministerin handeln soll.“
Schwierigkeiten mit dem Grundgesetz hat sie somit auch, denn der Quellenschutz ist ein zentraler Bestandteil der Pressefreiheit gemäß dem Grundgesetz, auch wenn er nicht ausdrücklich im Wortlaut des Grundgesetzes steht. Er ist jedoch durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 GG abgeleitet, denn, so das Urteil BVerfG, 1 BvR 228/04 – Cicero-Urteil:
„Ein funktionsfähiger investigativer Journalismus ist ohne Quellenschutz nicht denkbar.“
Dieses Urteil hat sie offensichtlich nicht gelesen, oder geflissentlich ignoriert, oder nicht verstanden. Aber jede einzelne meiner Vermutungen genügt schon, um… was? Genau, das Buch zuzuklappen.
Nius, mittlerweile ein mächtiger Gegner des links-rot-grünen-Komplexes und von ihm deshalb abgrundtief gehasst, hat eine Erklärung von Brosius-Gersdorf abgedruckt, die von den Redeker-Anwälten an Nius verschickt wurde und so beginnt:
„Frau Prof. Dr. Frauke Brosius-Gersdorf hat uns gebeten, ihre folgende Erklärung den Medien zur Verfügung zu stellen.“
Die Anwälte kommen also einer Bitte nach, was im Umkehrschluss nur bedeuten kann, dass die Anwälte die Erklärung anders geschrieben hätten – was bei dem Wortlaut absolut nachvollziehbar ist. Der wegen seiner Nähe zur AfD in die Krtik geratene Dr. jur. habil. Ulrich Vosgerau hat das richtig durchschaut, denn wenn die Anwälte den Text formuliert hätten, hätte es so lauten müssen:
„Wir veröffentlichen namens unserer Mandantin folgende Erklärung.“
Was sehen wir somit hier? Beratungsresistenz in ausgeprägter Form? Das eigene Ego als größter Feind? Eine sendungsbewusste Ideologin, die nicht auf geballtes Wissen hören will? Bleibt die zentrale Frage: Wieso braucht eine angehende Bundesverfassungsrichterin überhaupt Anwälte? Sie muss doch wissenstechnisch weit, weit oberhalb stehen.
Und wieso wird die ganze Erklärung auf der Anwalts-Homepage von REDEKER I Sellner I DAHS abgedruckt? Reicht es bei Brosius-Gersdorf nicht zu einer eigenen Homepage? Tatsächlich hat sie keine und vertraut den Sozialen Medien, wie bluesky, facebook, instagram, linkedin, mastodon, youtube, usw. Ich halte das für falsch und oberflächlich und werde mich bei ihr melden. Ich programmiere da mal schnell was. Das mache ich kostenlos. Ein Verlinkung auf meine Homepage würde mir reichen.
Mit ihrer Erklärung hat sie sich eigentlich selbst vollständig disqualifiziert. Aber Steigerungen sind weiterhin möglich:
„Die Lösung kann verfassungsrechtlich nur sein, dass entweder die Menschenwürde doch abwägungsfähig ist oder für das ungeborene Leben nicht gilt.„
oder, Themenwechsel:
„Ein AfD‑Verbot ist ein ganz starkes Signal für unsere wehrhafte Demokratie – aber damit kann man nicht die Anhängerschaft beseitigen.“
Zumindest die Wortwahl lässt aufhorchen. Sie war nicht willens oder in der Lage, statt des Begriffes „beseitigen“ z.B. das Wort „umstimmen“ zu benutzen. Das ist einer Bundesverfassungsrichterin unwürdig.
Gegenwind für Brosius-Gersdorf kommt aus der katholischen Kirche. Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki fasst zusammen:
„Die Unantastbarkeit der Menschenwürde, die Artikel 1 des Grundgesetzes festschreibt, muss ohne Einschränkungen für alle Menschen zu jedem Zeitpunkt ihres Lebens gelten – von der Empfängnis an bis zum natürlichen Lebensende“
Schon am 10.07.2025 – einen Tag vor der geplanten Wahl – hatte WeLT die deutliche Kritik der katholischen Kirche abgedruckt. Und Jan Philipp Burgard hat es sehr richtig zusammengefasst. Aber es gibt auch andere, verteidigende, Stimmen, die auch auf WeLT zu Wort kommen:
„Man muss unterscheiden zwischen dem, was man als Professor, in dem Rahmen, der sich gehört, sagt und dem, was man später als Richter macht.“
Diese Aussage von Staatsrechtler Prof. Dr. Dr. h.c. Ulrich Battis (ebenfalls auf WeLT) erinnert mich in seiner Unterstützung für die angehende Richterin fatal an die Einlassungen von Hadmut Danisch zur deutschen Professorenschaft. Danischs Wortwahl ist hier und da weit überzogen. Ich halte das für angreifbar. Blogger Danisch hat aber ein derart fundiertes juristisches Fachwissen, dass er sich es leisten kann, ordentlich auf die Pauke zu hauen. Er braucht offensichtlich keinen Bademantel. Ich empfehle diesen Artikel. Zu den deutschen Professorenschaft hat er eine ganz spezielle Meinung.
Und meine Meinung zum Battis-Zitat ist auch ganz klar: Menschen sind keine Chamäleons, die je nach Umgebungsbedingungen einfach die Farbe wechseln. Genausowenig können Menschen, Juristen, Politiker einfach so ihre Position wechseln. Wenn sie es dennoch tun, dann nur nach außen. Der einzige Mensch, dem ich abnehme, seine Position wirklich grundsätzlich und von ganzem Herzen geändert zu haben war Saulus, der zu Paulus wurde.
Ich könnte beinahe darauf wetten, dass sich Danisch in einem seiner nächsten Blogs genau den Professor Battis mit seinem dreiminütigen Interview vorknöpft. Ein gefundenes Fressen für ihn.
„Die Tötung eines Menschen ohne herabwürdigende Begleitumstände, die ihm seine Subjektqualität absprechen, verletzt Art. 1 I GG nicht.“
Dieses Zitat kommt jetzt wieder von Brosius-Gersdorf selbst. Zu Ende gedacht, stellt diese Aussage (aus einer Festschrift 2024) wirklich alles in den Schatten, was ich je zum Thema Abtreibungsrecht gehört habe, wobei dieser Satz – für sich alleine zitiert – weit über das Thema Abtreibung hinausgeht. Wiederum muss ich hier Danisch zitieren, der nicht ganz zu Unrecht sagt, dass Artikel 1 des GG eigentlich eine hohle Phrase ist. Es verbietet sich, auf Art. 1 zu verweisen, weil er inhaltsleer ist. Vielmehr kommt es auf die Ausgestaltung an, die mit dem Artikel 5 beginnt. Und bei der Interpretation von Art. 5 und ff. würden die meisten Rechtswissenschaftler grandios scheitern.
Bei dem letzten Zitat gruselt es mich direkt ein wenig. Das Töten von Föten oder in letzter Konsequenz unwertem Leben ist hinnehmbar, wenn der zu Tötende nicht herabwürdigend getötet wird?
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