Sonntag, 13. Juli 2025, Überraschung beim Kirchgang.

Eine innere Stimme sagte mir gestern Abend, dass es eine gute Idee sein könnte, heute wieder einmal den Sonntagsgottesdienst zu besuchen. Also radelte ich den Kirchberg hoch.

Der Irritation beim Blick auf das (ehemalige) Fischerhäusl folgte eine Überraschung beim Gottesdienst. Er wurde von einer Frau geleitet.

Ich hatte sofort den Verdacht, die Zeit könnte irgendwie an mir vorbeigegangen sein. Dürfen Frauen das denn überhaupt? Für einen Moment war ich mir aber auch nicht sicher, ob ich vielleicht in einen evangelischen oder ökumenischen Gottesdienst hineingeraten war.

Dann dachte ich mir, dass das jetzt vielleicht nur eine Art Kindergottesdienst wird, ohne Eucharistiefeier. Aber voll daneben. Es war ein ganz normaler Gottesdienst, aber irgendwie fehlten ein paar Elemente. Ich bin aber nur Laie, weshalb ich mir das Ganze zunächst nicht erklären konnte.

Die Auflösung

Tatsächlich haben wir heute einen Wortgottesdienst mit Kommunionverteilung erlebt. Es fehlten die drei Elemente Hochgebet, Wandlung und Kanon. Die ausgeteilten Hostien waren durch einen Priester – vermutlich Pfarrer Eisenmann – bei einem vorherigen Gottesdienst schon vorab konsekriert (geweiht) worden. Das machte die Hostienverteilung durch eine Frau möglich.

Aha. Alles andere hätte mich auch gewundert. Denn mir bimmelt immer noch die Position unseres ehemaligen und schon 1994 verstorbenen Freiberger Pfarrers Bruno Burchert im Ohr, der auf die Frage, ob sich die Kirche nicht immer wieder einmal reformieren müsse, zu antworten pflegte, dass die Kirche allein deshalb die letzten 2.000 Jahre überlebt habe, weil sie an vielen grundsätzlichen Positionen festgehalten und dem Zeitgeist widerstanden habe.

Was ich aber sagen kann, ist, dass die junge Frau den Gottesdienst sehr souverän leitete. Ich hatte schon letztens – typischerweise im Mai – das Buch “Ja, es ist Weihnachten” von Rainer Maria Schießler gelesen. Er ließ erkennen, welch großartige Predigten Priester in der Lage sind zu halten. Mit diesem Gedanken hatte ich die Kirche betreten. Welche Art von Predigt würde mich erwarten? Ich war positiv überrascht und war nah dran, nach dem Ende der Predigt demonstrativ in die Hände zu klatschen.

Eine sehr gute Predigt

Wenn Frau Großmann den Gottesdienst öfter leitet, gehe ich auch wieder öfter hin. Hätte ich mein iPhone dabeigehabt, hätte ich für einen Moment darüber nachgedacht, die Szenerie zu fotografieren, weil ich das als so positiv empfand.

Ich frage mich, warum die Kirchenoberhäupter bis jetzt an der Logik festhalten, dass nur Männer geweihte Priester sein dürfen. Schon allein aus Personalmangel – zugegeben, ein recht weltliches und oberflächliches Argument: Frauen als Lückenbüßer – ist diese Haltung zu überdenken.

Ich hätte persönlich auch nichts dagegen, das Zölibat aufzuheben, dass es erst seit dem 12. Jahrhundert gibt. Im Konzil von Lateran I (1123) & Lateran II (1139) wurde das Priesterzölibat offiziell festgeschrieben und ist seither die Voraussetzung für die Priesterweihe im westlichen (lateinischen) Ritus der katholischen Kirche. Was ein Konzil beschließt, kann durch ein neues Konzil aber sicherlich wieder aufgehoben werden.

Wenn man sich die Hintergründe für die Einführung des Zölibates anschaut, wird die Sache noch fraglicher. Denn es war ein zentraler Wunsch der Kirche, ihren Besitztum und ihre Macht zu schützen. Verheiratete Priester hatten oft Kinder, und diese Kinder erbten Teile des kirchlichen Besitzes. Um zu verhindern, dass Kirchengüter „vererbt“ oder „privatisiert“ wurden, sollte der Klerus ehelos bleiben. So blieb der gesamte Besitz im Einflussbereich der Kirche und konnte nicht durch Familienbande zersplittert werden. Um Macht ging es, weil man sich der vollständigen Loyalität der Kirchenmänner versichern wollte. Es sollten keine Loyalitätskonflikte zwischen Kirche und Familie aufkommen.

Unter dem Gesichtspunkt, dass die Ehelosigkeit kein Dogma sondern eine kirchliche Disziplin ist, kann das Motto nur lauten: Weg mit dem Zölibat. Freie Sicht auf das lustige, und zuweilen turbulente, Eheleben. Warum sollen es Priester besser haben als unsereins?

Und hinsichtlich Frau Sandra Großmann musste ich mir – rein aus journalistischer Neugier – ihre Vita anschauen. Sie hat eine lange Liste an Aufgaben.


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