
Bei meiner gestrigen Aufzählung der Bundesminister habe ich eine wichtige Person übersehen: Wolfram Weimer. Formal ist er kein Bundesminister. Dieses Amt gibt es nicht. Bei der Gründung der Bundesrepublik behielten es sich die Bundesländer vor, sich um die Kultur selbst zu kümmern. So fand die Forderung, Kultur auf Landesebene zu betrachten, den Weg in unser Grundgesetz. Weimers Vorgängerin Claudia Roth von den Grünen bewies jedoch, dass man ein Land wie das unsere dennoch auf den falschen Kurs in Richtung Wokeistan schicken kann. Deshalb verdient der Gastbeitrag des neuen Kulturstaatssekretärs in der heutigen SZ-Ausgabe besondere Beachtung.
Um den Inhalt zu lesen, muss man hinter die Bezahlschranke gelangen. Der Text erfreute mich und dürfte den Grünen die Zornesröte ins Gesicht treiben. Schauen wir uns einige Aussagen an, müssen hierbei aber darauf achten, die Urheberrechte der SZ nicht zu verletzen. Deswegen geht es nicht immer wortgenau zu.
„Sinngemäß: Die Linken wie die Rechten wollen die Kunst politisieren.“
Wir beginnen mit einem seiner Sätze und erheben Einspruch. Die Linken haben das – als links-rot-grüner Komplex – bereits geschafft. Bei den Rechten bin ich mir nicht ganz sicher, denn sie waren im Bund und den Ländern noch nie in Regierungsverantwortung. Sie haben nie Geld an linke NGO’s und linke Universitäten verteilt.
Sinngemäß: „Die Korridore des Sagbaren sind zu weiten.“
Ungenau. Vor dem erweiterten Infinitiv fehlt das Wörtchen ‚wieder‘. Denn eingeengt ist er bereits. Ich mache es am ovb – unserer Heimatzeitung – fest, die es schafft, eine halbe Seite lang über das Sicherheitskonzept für das derzeit stattfindende Volksfest zu berichten, ohne uns zu erklären, vor was oder vor wem wir Volksfestbesucher eigentlich geschützt werden müssen.
Sinngemäß: „Bleibt Deutschland die Hochburg der Aufklärung?“
Der Begriff Aufklärung bezeichnet die um das Jahr 1700 einsetzende Entwicklung, durch rationales Denken alle den Fortschritt behindernden Strukturen zu überwinden. Auch in diesem Zitat von Wolfram Weimer steckt ein Wortfehler. Falsch: „Bleiben wir“. Richtig „Werden wir wieder“.
Sinngemäß: „Verfällt Deutschland der identitätsideologischen Freiheitsfeindlichkeit von rechts und links?“
Links ist viel sichtbarer. Deshalb mag es subjektiv sein, wenn ich eine identitätsideologische Freiheitsfeindlichkeit eher links verorte.
Sinngemäß: „Übergriffe und bevormundende Identitätskämpfe gehen von den Rändern des politischen Spektrums aus.“
Weimer bemüht sich, links und rechts gesellschaftskonform immer im gleichen Atemzug zu nennen. Bei den vorgetragenen Beispielen greift der Kulturstaatsminister aber auffällig oft auf Vorkommnisse aus den USA zurück. Linke Beispiele aus Deutschland, rechte Beispiele aus den USA. Das sagt eine Menge aus.
Zutreffend und entlarvend: Die freiheitsfeindliche Übergriffigkeit der Linken habe in der Cancel-Culture ihr aggressives Gesicht.
Für diesen Satz gibt es eine Eins mit Sternchen. Leider schafft Weimer die Verbindung von Links zu Grün nicht. Weimer schafft es sogar, dass Wort „grün“ als Ursache für das deutsche Dilemma nicht ein einziges Mal zu erwähnen. Dabei behaupte ich, dass er es besser weiß.
Sinngemäß. Der Shitstorm sei das Ergebnis radikal-feministischer, postkolonialer, öko-sozialistischer Empörungskultur.
Ui, der Satz hat gesessen. Direkt ins Kontor des woken Gegeners. Und richtig geschlussfolgert. Erstmalig und einmalig verknüpft Weimer mit dem Wort „öko-sozialistisch“ grünes und linkes Gedankengut. Aber wo bleibt die Analyse darüber, warum die breite Mitte der Bevölkerung das zugelassen hat.
Sinngemäß: Jeder wisse, dass er, je nachdem, welchen Gast er sich in die Sendung lädt, in den Kommentarspalten entweder dem Faschismus den Weg geebnet oder grüne Höllenideologie befeuert hat.
Wieder richtig. Aber als Kulturstaatssekretär darf er uns ruhig aufzeigen, wie er den Wahnsinn in den Sozialen Medien eindämmen könnte. Das Koalitionspapier gibt einen ersten Anhaltspunkt dafür:
„Die Koalition will Medien entlasten und dafür die Einführung einer Abgabe von Online‑Plattformen prüfen, die Medieninhalte nutzen. Die Erlöse sollen dem Medienstandort zugutekommen.“
Lassen wir einmal das unverbindliche Blabla in diesem Satz beiseite und konzentrieren uns auf das Wörtchen „Abgabe“. Würde man es schaffen den Betreibern von Sozialen Plattformen eine empfindliche Abgabe aufzuzwingen, wären diese gezwungen, darüber nachzudenken, ob Facebook, Twitter, Facebook, Instagram, Blusky, Truth Social, LinkedIn für die Nutzer noch kostenlos sein können. Wir kämen zwangsläufig zu der Frage, was deutsche User bereit sind zu bezahlen, um die Dienste weiterhin nutzen zu können.
Ich würde beim Begriff „Nutzen“ allerdings in zwei Kategorien von Nutzern unterscheiden. Wer die Plattformen nur lesend bzw. für private Themen nutzt, darf das kostenlos weiterhin tun. Wer politische Inhalte postet, bzw. kommentiert, muss dafür bezahlen. Die Frage lautet somit, wieviel Geld die Deutschen monatlich zu bezahlen bereit sind. Bei zehn Euro würde sich vermutlich schon die Spreu vom Weizen trennen. Zehn Euro zu bezahlen, nur um beleidigende Kommentare abzusetzen – dieser Betrag dürfte mindestens ein Drittel der Kommentatoren abschrecken. Denn durch Bezahlung ist man sofort nachvollziehbar. Fake-Accounts würde es dann wohl eher nicht mehr geben. Ich glaube nicht, dass man für eine Lastschrift ein Schweizer Nummernkonto angeben kann. Wir hätten mit einem schlag ein Drittel weniger unterirdische Kommentare. Das wäre ein echter Fortschritt – der aber nicht kommen wird. Und wenn die Abgabe kommt, wird sie nicht so relevant sein, um die Sozialen Medien grundsätzlich kostenpflichtig zu gestalten.
Sinngemäß: Linker Alarmismus taktet das gesellschaftliche Klima bis hin zum Sprachwächtertum.
Es ist auch mein Gefühl, dass unsere Gesellschaft von und durch Links-Rot-Grün getaktet wird. Das muss aufhören.
Sinngemäß: Karl Mays Werke nicht mehr drucken, weil nicht sein durfte, was heute nicht mehr sein darf?“
Seine und meine Antwort lautet: Nein. Ich hatte ebenfalls schon thematisiert, dass wir mit unserem heutigen Bewusstsein nicht die Geschehnisse von vor zweihundert Jahren betrachten dürfen. Ok, betrachten schon, aber nicht uns als Richter aufspielen.
Fazit
Weimer ist der richtige Mann am richtigen Platz. Sein Gastbeitrag ist lesenswert. Ich empfehle das Abschließen eines SZ-Abos. Denn die Replik auf Weimers Gastbeitrag ließ nicht lange auf sich warten. Die SZ ließ ausgerechnet Sven Lehmann, den ehemaligen Queer-Beauftragten antworten. Es sei gefährlich, links und rechts gleichzusetzen. Toller Eröffnungssatz. Nachdem ich schon in der Überschrift das Wort „Haltung“ gelesen habe, habe ich den ganz und gar linken Beitrag nur noch überflogen. Und wenn man nicht mehr weiterweiß, geißelt man die Betrachtungsweise des politischen Gegners als „unterkomplex“.
Da haben sich zwei gefunden: Weimer als Kulturstaatsminister und Lehmann als Vorsitzender der Kulturausschusses im Bundestag.
Wie ist Lehmann überhaupt wieder in den Bundestag gekommen? Über die NRW-Landesliste – wie sonst. Er hätte jeden Wahlkreis in Deutschland verloren. In jedem bayerischen Wahlkreis wäre er zusätzlich noch mit fliegenden Fahnen untergegangen.
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