Die Umstände dieser Meldung von gestern sind befremdlich. Faktisch als letzte Amtshandlung verkündete die abdankende Innenministerin Nancy Faeser, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz in einem 1.100 Seiten starken Bericht zu dem Schluss gekommen ist, dass die AfD nun nicht nur „in Teilen rechtsextrem“ ist, sondern in Gänze eine „rechtsextremistische Bestrebung“.
Jeder ist natürlich jetzt scharf darauf, die 1.100 Seiten als Download zu bekommen. Jedoch ist das Dokument „nicht für die Öffentlichkeit“ bestimmt. Um die „Quellen zu schützen“, wird der Bericht unter Verschluss gehalten, so Faeser. Das kann ja nur heißen, dass die in Umfragen neuerdings stärkste Partei mit V-Männern überzogen wurde und ausspioniert wird. Die AfD fragt sich außerdem zu Recht, wie sie gegen ein „Urteil“ vorgehen soll, wenn sie die „Urteilsbegründung“ nicht kennt.
Noch seltsamer ist die Tatsache, dass der Bericht schon im Herbst vorlag, aber bewusst monatelang zurückgehalten wurde. Eine Herausgabe im Wahlkampf hielt man juristisch für zu riskant. Ich glaube eher, dass man nicht riskieren wollte, dass sich die Reihen der AfD noch fester schließen. „Gefahr im Verzug“ sieht man bei der AfD somit nicht.
Ich hatte jetzt nicht vor, mir die 1.100 Seiten durchzulesen. Ich ließ aber chatgpt bereits warmlaufen. Das Prompt hätte ungefähr so geheißen: „Bitte analysiere den Text und zeige die Fakten auf 30 Seiten auf.“ Die hätte ich mir dann sehr wohl durchgelesen.
Vorher würde ich mir kein Urteil erlauben. Die Zeitungen legen aber in gewohnter Manier los. Meine formalen Fragen zum Thema kommen beispielsweise bei der SZ gar nicht erst vor. Man geht sofort zur Schlussfolgerung über.
Das Volksverständnis der AfD konkretisiere sich in einer insgesamt migranten- und muslimfeindlichen Haltung der Partei. Und an dieser Einschätzung haben „Beamte und Beamtinnen“ drei Jahr arbeiten müssen?
„Jetzt kann niemand mehr behaupten, er wisse über die AfD nicht Bescheid“
Und tatsächlich denkt der SZ-Kommentator Roland Preuß in seinem Kommentar zunächst so wie ich. Wer Augen und Ohren hat, sieht, wie sich die AfD entwickelt hat. Anschließend laufen aber seine und meine Meinung dann doch ein wenig auseinander.
„In dieser Partei sinniert man ungestraft über die „Umvolkung“ durch Zuwanderer.“
Sinnieren sollte somit auch schon unter Strafe gestellt werden? Ich dachte immer, dass wenigstens die Gedanken noch frei sind. Und in meiner Gedankenwelt verknüpfe ich grade banale mathematische und statistische Fähigkeiten mit den Themen Zuwanderung und Geburtenraten, komme zu dem Schluss, dass in den meisten Grundschulen in zehn Jahren 90% der Schüler muslimisch sein werden und überlege mir, welche verfassungsrechtlich unangreifbare Begrifflichkeit sich für diese Entwicklung finden lässt.
Was? In Berlin soll das heute schon so sein? Wie nennen die Berliner denn diesen Effekt? Ich möchte nicht vorpreschen, aber die Entwicklung braucht einen Namen. Die deutsche Sprache bietet so tolle Möglichkeiten. Es muss möglich sein, die Situation zu benennen, ohne sich verdächtig zu machen, denn zweifellos ist der Begriff „Umvolkung“ national-sozialistisch besetzt. Chatgpt führt zur historischen Bedeutung folgendes aus:
- Der Begriff „Umvolkung“ wurde im Dritten Reich verwendet und war ein ideologischer Kampfbegriff in der NS-Rassenpolitik.
- Die Nationalsozialisten bezeichneten damit gezielte Bevölkerungsverschiebungen, insbesondere im Zusammenhang mit ihren Plänen zur „Germanisierung“ eroberter Gebiete (z. B. in Polen).
- Ziel war es, „rassisch minderwertige“ Menschen zu vertreiben oder umzuerziehen und durch „rassisch wertvolle“ deutsche Siedler zu ersetzen – z. B. durch Umsiedlungsaktionen der SS im Osten.
- Dabei war der Begriff direkt mit dem Konzept der „Volksgemeinschaft“ und dem völkisch-rassistischen Denken verbunden.
Wenn ich mich nicht täusche, dann nutzten die Nazis den Begriff „Umvolkung“ somit in Bezug auf eroberte Gebiete (siehe Punkte 2 und 3). Den Drang, fremde Gebiete zu besetzen, um dort „umzuvolken“ kann ich bei der AfD nicht erkennen. Die AfD sieht die Gefahr im Inland. Das sind zwei unterschiedliche Seiten der zweifellos gleichen Medaille. In den 1.100 Seiten des BfV steht aber hoffentlich viel mehr drin, als nur die Kritik an der Verwendung bestimmter Wörter.
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